Öffentliches Recht
Der Grosse Rat hat zwei formell getrennte Revisionen verabschiedet: Am 16. März 2016 den Gegenvorschlag zur Kulturlandinitiative (die Referendumsfrist ist am 6. Juli 2016 abgelaufen) und am 9. Juni 2016 die übrige, grosse Revision (die Referendumsfrist ist am 29. September 2016 abgelaufen).
Die Revision des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (RPG) vom 15. Juni 2012 (Referendumsabstimmung 3. März 2013) ist am 1. Mai 2014 in Kraft getreten. Sie hinterlässt im neuen, kantonalen Baugesetz erhebliche Spuren. Die bei der Beratung des RPG drohende Landschaftsschutz-Initiative veranlasste seinerzeit insbesondere den Ständerat zu massiven Konzessionen, die dann zum Rückzug der Initiative führten. Diese Konzessionen bedeuten eine deutliche Bremse für Neueinzonungen und bestimmte, zwingende Elemente bei der Mehrwertabschöpfung.
Das RPG enthält in Art. 38a sogenannte «Guillotine-Bestimmungen»: In zwei Bereichen wird den Kantonen eine Frist von fünf Jahren zur Anpassung gesetzt, mit der Androhung, dass nicht mehr neu eingezont werden kann, wenn die Anpassungen bis zum Ablauf der Frist nicht erfolgt sind. Diese Anpassungen betreffen einerseits den Richtplan (hier wird die Einzonungsschraube angezogen) und andererseits die Mehrwertabschöpfung (in Art. 5 RPG ist ein Mindestsatz von 20% gesetzlich vorgeschrieben, jedenfalls bei Einzonungen).
Auf kantonaler Ebene kam noch die Kulturlandinitiative aus landwirtschaftlichen Kreisen dazu. Sie wollte zur Schonung landwirtschaftlicher Nutzflächen verpflichten (im Wesentlichen das heutige Nicht-Baugebiet) und sah darüber hinaus eine Kompensationspflicht für Fruchtfolgeflächen vor. Die Revision vom 16. März 2016 hat zum Rückzug der Initiative geführt.
Nachfolgend werden – in aller Kürze – die wichtig erscheinende Themen behandelt:
Das Kulturland wird insbesondere neu geregelt in den Artikeln 8a bis 8c (Schonung und Verwendung von unverschmutztem Bodenaushub), 64 und 72 (Planungsgrundsätze).
Die zum Schutz von Ortsbild und Landschaft eingesetzte Kommission OLK erhält veredelte Rechtsgrundlagen – ihre Zuständigkeit wird neu direkt in Art. 10 geregelt. Unter anderem soll sie nur für prägende Bauvorhaben beigezogen werden. Dies kann auch durch eine Bauherrschaft geschehen, für die Beurteilung eines Vorhabens vor Einreichen eines Baugesuches.
Neben der allgemeinen Revision in den Artikeln 10b bis 10f befiehlt das Gesetz eine Reduktion des Bestandes an schützenswerten und erhaltenswerten Baudenkmälern auf 7 % des Gesamtgebäudebestands (Art. 10d) und dies innert fünf Jahren nach Inkrafttreten (Übergangsbestimmungen, Ziff. 1).
Die bisherige, von der Praxis geschaffene Unterscheidung zwischen eigentlichen Einkaufszentren und Fachmärkten entfällt. Die «Detailhandelseinrichtungen» benötigen ausserhalb von Geschäftsgebieten eine Überbauungsordnung, wenn ihre Geschossfläche grösser ist als 1000 m2 (Art. 20).
Die Erdbebensicherheit wird zur grundsätzlichen Pflicht (Art. 21a), Leitschnur sind die Richtlinien des SIA.
Betreiber von Materialabbaustellen müssen alle Abgeber von Auffüllmaterial aus der Region grundsätzlich gleich behandeln (Art. 25 Abs. 3).
Die bisherige Beschränkung der zulässigen Einsprachen auf Punkte, an denen ein persönliches Interesse besteht, entfällt: Wer zugelassen ist, kann alles rügen, was dient (Aufhebung des bisherigen Art. 35c Abs. 1). Die Beschwerde ist neu nicht mehr auf bereits geltend gemachte Einsprachen beschränkt, kann also ihnen gegenüber erweitert werden. Damit passt der Kanton seine Regeln an die bundesgerichtliche Rechtsprechung an, weshalb wohl nur von einer unwesentlichen Änderung gesprochen werden kann.
Die Landwirtschaftszone ist neu praktisch direkt und ausschliesslich eidgenössisch geregelt. Genauere (und wohl auch strengere) Bestimmungen gelten zum Beispiel für befristete Bewilligungen mit der Pflicht, Bauten und Anlagen nach Ablauf der Frist unverzüglich und entschädigungslos zu entfernen (Art. 84a).
Gemäss dem bisherigen Art. 60a und dem praktisch unveränderten Art. 88 Abs. 2 ist es möglich, die Erschliessungskosten zusammen mit der Überbauungsordnung durch das für letztere zuständige Organ beschliessen zu lassen – also bei der Überbauungsordnung als Vollzug der ZPP (Zonen mit Planungspflicht) durch den Gemeinderat.
Zonen mit Planungspflicht finden eine wohl verbesserte Grundlage (Art. 92 – 95a).
Mit Baulandumlegung und vertraglicher Bauverpflichtung (das ist nicht so neu), bedingter Einzonung und Bauverpflichtung mit jährlich wiederkehrender Lenkungsabgabe soll dem Art. 15a RPG und damit wieder dem Bundesrecht nachgelebt werden. Der Druck zur Überbauung von eingezontem Land soll erhöht werden, was mit der den Kantonen aufgedrängten «Verdichtung nach innen» zusammenhängt: Grundsätzlich sollen Neueinzonungen erst erfolgen, wenn das mögliche Volumen im Baugebiet ausgeschöpft ist (Art. 126a – 126d).
Die Übernahme des bundesrechtlichen Minimums nahm der Gesetzgeber zum Anlass, die bisherige vertragliche Lösung abzuschaffen und den Ausgleich von Planungsvorteilen stattdessen per Verfügung mit anschliessender Möglichkeit der Überprüfung durch die Justiz einzutreiben (Art. 142d Abs. 1). Selbstverständlich enthalten die Bestimmungen nebst diesem Fortschritt auch bisherige und neue Dornen:
Bedeutend sind die Übergangsbestimmungen: Bisherige Verträge sind nicht mehr zulässig, wenn die öffentliche Auflage der Planung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt. Im Übrigen sind die bisherigen Verträge gültig (Übergangsbestimmungen, Ziff. 2). Bei der Zuweisung von Land in Materialabbau- und Deponiezonen sind auch weiterhin vertragliche Lösungen möglich (Art. 142d Abs. 4).
Das Referendum wurde nicht ergriffen, also kann auf Anfang 2017 mit dem Inkrafttreten der neuen Regelung gerechnet werden.