Gesetzesänderung im Bereich des Familienrechts
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Privatrecht

Gesetzesänderung im Bereich des Familienrechts

Der Bundesrat entschied, das ZGB im Bereich des Familienrechts zu revidieren, insbesondere betreffend Kindesunterhalt und Vorsorgeausgleich. Die revidierten Änderungen treten per 1. Januar 2017 in Kraft.

Kindesunterhalt

Ziel des neuen Unterhaltsrechts ist es, die Ungleichbehandlung von Kindern verheirateter beziehungsweise geschiedener Eltern und von Kindern unverheirateter Eltern zu beseitigen. Nach geltendem Recht, welches noch bis zum 31. Dezember 2016 in Kraft ist, waren die Kinder unverheirateter Eltern benachteiligt, da die Kosten für die Betreuung der Kinder und die durch die Betreuungsaufgaben eingeschränkte Erwerbsfähigkeit lediglich bei verheirateten/geschiedenen Eltern im Rahmen der Bemessung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt wurden. Bei alleinerziehenden unverheirateten Elternteilen hingegen kam es zu keiner Berücksichtigung der Kosten für die Betreuung der Kinder. Dies soll nun geändert werden.

Ab dem 1. Januar 2017 werden die Betreuungskosten bei der Bemessung des Kindesunterhalts berücksichtigt. Was heisst dies konkret? Der sogenannte Betreuungsunterhalt ist nach neuem Recht zusätzlich zu den laufenden Lebenshaltungskosten des Kindes zu entschädigen. Der für das Kind zu leistende Unterhaltsbeitrag soll damit neu nicht nur den Barbedarf (Kosten für Miete, Verpflegung, Schule etc.) decken, sondern zusätzlich auch gewährleisten, dass das Kind von der bestmöglichen Betreuung profitieren kann. Dadurch erhöht sich der vom pflichtigen Elternteil respektive von beiden Eltern zu leistende Unterhaltsbeitrag teilweise massiv. Noch unklar ist derzeit, wie dieser Betreuungsunterhalt zu bemessen und wie lange er im Einzelfall zu zahlen ist. Diesbezüglich wird den Gerichten ein hoher Ermessensspielraum eingeräumt, was eine grosse Ungewissheit zur Folge hat. Es obliegt den Gerichten, diese Unsicherheiten auszuräumen und mit klaren Entscheiden und einer einheitlichen Rechtsprechung Richtlinien festzulegen.

Wie kann dieser teilweise massiven Erhöhung des Kindesunterhalts Rechnung getragen werden? Einerseits ist davon auszugehen, dass der Ehegattenunterhalt entsprechend nach unten angepasst werden muss, dass also im Fall einer Trennung oder Scheidung der Ehegattenunterhalt entsprechend tiefer ausfallen wird. Andererseits wird dem zu Unterhaltsleistungen verpflichteten Elternteil die Möglichkeit eingeräumt, einen Antrag auf alternierende oder geteilte Obhut zu stellen. Ein derartiger Antrag macht jedoch nur dann Sinn, wenn der nicht obhutsberechtigte Elternteil bereit ist, sein Kind über das übliche Besuchs- und Ferienrecht hinaus zu betreuen und hierzu auch in der Lage ist. Es stellt sich die Frage, ob eine derartige Regelung praktikabel ist.

Das Institut der gemeinsamen elterlichen Obhut besteht seit der letzten Gesetzesrevision. Die Gerichte haben es bis heute nur mit grosser Zurückhaltung angewendet. Es mag zwar durchaus zahlreiche Studien geben, die belegen, dass die gemeinsame Obhut im Sinn des Kindeswohls ist, doch gerade bei zerstrittenen Eltern und bei einer grossen Entfernung zwischen den Wohnsitzen der Elternteile dürfte diese Lösung wenig praktikabel sein. Bei derartigen Entscheidungen muss stets das Kindeswohl im Zentrum stehen.

Was bedeutet das Inkrafttreten der revidierten Gesetzesbestimmungen für bereits rechtskräftige Urteile und Unterhaltsverträge? Wenn der Kindesunterhalt im Rahmen eines eherechtlichen Verfahrens gemeinsam mit dem Unterhaltsbeitrag an einen Elternteil festgelegt wurde, erfolgt keine automatische Anpassung. In diesem Fall besteht einzig die Möglichkeit, eine Anpassung des Kindesunterhalts aufgrund wesentlich geänderter Verhältnisse zu verlangen. Wurde der Kindesunterhalt jedoch im Rahmen eines Unterhaltsvertrags ohne gleichzeitige Regelung des Ehegattenunterhalts festgelegt, kann das Kind (gegebenenfalls vertreten durch den obhutsberechtigten Elternteil) jederzeit ein Gesuch um Neufestsetzung des Kindesunterhalts stellen. Auf hängige Verfahren findet das neue Recht Anwendung, jedoch erst ab dem 1. Januar 2017.

Vorsorgeausgleich

Nebst den revidierten Bestimmungen zum Kindesunterhalt treten per 1. Januar 2017 auch die revidierten Bestimmungen zum Vorsorgeausgleich in Kraft.

Bei einer Scheidung müssen die Ehegatten die von ihnen während der Ehe angesparten BVG-Guthaben gegenseitig ausgleichen, wobei jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte des Guthabens des anderen Ehegatten hat.

Ziel dieser Regelung ist, dass beide Partner während der Ehe ein gleich hohes Guthaben an Pensionskassengeldern erwerben und dass derjenige Ehegatte, der die Betreuung der gemeinsamen Kinder übernimmt, im Fall einer Scheidung keine finanziellen Einbussen erleidet. Schwierig wird die Teilung dann, wenn ein Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung bereits eine Invaliden- oder Altersrente bezieht. Dies soll neu geändert werden. Ab dem 1. Januar 2017 soll eine Teilung der Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge auch in Fällen erfolgen, in welchen ein Ehegatte bereits eine Invaliden- oder Altersrente bezieht. Bei der Berechnung der Vorsorgegelder soll dabei entweder auf ein hypothetisches Einkommen des rentenbeziehenden Ehegatten abgestellt werden oder die von ihm bezogene Rente wird nach richterlichem Ermessen geteilt und in eine lebenslange Rente für den anderen Ehegatten umgewandelt.

In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass die im Rahmen einer Scheidung nach altem Recht ausgesprochenen Entschädigungen in Rentenform unter bestimmten Voraussetzungen in eine lebenslange Rente umgewandelt werden. Ein entsprechender Antrag ist bis spätestens am 31. Dezember 2017 beim zuständigen Scheidungsrichter einzureichen.

Heute wird die Scheidung vielfach hinausgezögert, um mehr Pensionskassengelder vom anderen Ehegatten zu erhalten. Ab dem 1. Januar 2017 wird für die Berechnung des Vorsorgeausgleichs neu nicht mehr auf das Scheidungsdatum abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens. Dies wird wohl dazu führen, dass Scheidungen ab nächstem Jahr deutlich rascher angestrengt und durchgezogen werden.

Zudem wurde bezüglich Vorsorgeausgleich eine gewisse Flexibilisierung vorgenommen. So können die Parteien neu aus wichtigen Gründen auf den Vorsorgeausgleich verzichten. Nach altem Recht war ein Verzicht nur dann möglich, wenn die hälftige Teilung der Vorsorgegelder offensichtlich unbillig gewesen wäre. Nach der Gesetzesrevision sollte ein Verzicht leichter möglich sein. Hinzu kommt, dass keine hälftige Teilung mehr stattfinden muss. Neu kann eine überhälftige oder eine unterhälftige Teilung erfolgen. Eine überhälftige Teilung dürfte bei Fällen angemessen sein, bei welchen ein Ehepartner während der Dauer der Ehe für die Kinderbetreuung zuständig war und dementsprechend keine Vorsorgegelder erwirtschaften konnte. Eine unterhälftige Teilung macht da Sinn, wo beide Parteien gearbeitet haben oder wo eine angemessene Vorsorge (sichere Mittel wie Säule 3a, Lebensversicherung etc.) besteht.

Die Änderungen im Bereich des Vorsorgeausgleichs haben zu keiner Vereinfachung desselben geführt. Vor allem im Hinblick auf die Teilung der Vorsorgegelder im Fall des Vorsorgefalls stellen sich zahlreiche Fragen, insbesondere betreffend Berechnung. Der Bundesrat wird, ergänzend zu den neuen Gesetzesbestimmungen, Ausführungsbestimmungen in Verordnungsform erlassen. Allerdings ist fraglich, ob diese Verordnung die offenen Fragen beantworten kann.

Wie Sie sehen, haben sich im Bereich des Familienrechts zahlreiche Änderungen ergeben. Diese Änderungen sind sicherlich begrüssenswert, lassen jedoch auch viele Fragen offen, die von den Gerichten zu beantworten sein werden.

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