Rechtliches Inkasso – einige Hinweise
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Privatrecht

Rechtliches Inkasso – einige Hinweise

Die Wirtschaftskrise bringt es mit sich, dass Unternehmen und Private zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ihren (vorab finanziellen) Verpflichtungen nicht oder nur schleppend nachkommen (können). Man spricht in wirtschaftlich schlechten Zeiten mitunter auch von einer «schleppenden Zahlungsmoral», obwohl diese nicht immer aufgrund einer schlechten Moral entsteht, sondern schlicht durch Liquiditätsengpässe von Unternehmen und Privatleuten. Dem Gläubiger einer (Geld-) Forderung bleibt in solchen Zeiten nichts anderes übrig, als das sogenannte rechtliche Inkasso, gemeint ist hier: die Betreibung und das Folgeverfahren, einzuleiten. Der vorliegende Beitrag soll einige Hinweise für ein möglichst einfaches und erfolgversprechendes Inkasso geben.

Die Rechnung

Es ist vorab zu empfehlen, nach Erfüllung eines Vertrages mit der Rechnungsstellung nicht zu lange zu warten. Die Rechnung ist eine Aufforderung an den Schuldner, das von ihm Geschuldete zu bezahlen, ohne dass er dadurch bereits in Verzug gerät. Ein Hinweis wie «30 Tage netto» bewirkt aus rechtlicher Sicht eben gerade nicht, dass der Schuldner nach Ablauf dieser 30 Tage Verzugszinse schuldet. Nur wenn bereits im Vertrag ein Verfalltag für die Zahlung genannt ist, gerät der Schuldner mit Ablauf dieses Datums in Verzug. Andernfalls braucht es die Mahnung.

Mahnung

Die Mahnung ist rechtlich nichts anderes als eine Aufforderung an den Schuldner, die in Rechnung gestellte Forderung zu erfüllen. Mit der Mahnung gerät der Schuldner in Verzug. Die landläufige Meinung, dass mehrfach gemahnt werden muss, bevor zum rechtlichen Inkasso geschritten werden kann, ist falsch: Der Gläubiger ist grundsätzlich berechtigt, sogleich die Erfüllung der Forderung zu verlangen (OR Art. 75). Die sofortige Einleitung einer Betreibung nach Ablauf der üblichen 30-Tagefrist ist zwar nicht üblich, wäre aber zulässig. Weil der Eintritt des Verzugs durch den Gläubiger bewiesen werden muss, empfiehlt es sich, die Mahnung eingeschrieben zu versenden, wodurch der Empfang bewiesen werden kann.

Betreibung

In der Regel wird in der Mahnung eine letzte Zahlungsfrist eingeräumt, innert welcher der Schuldner zu zahlen hat. Tut er dies nicht, ist das rechtliche Inkasso mittels Betreibung einzuleiten. Hierzu wird beim zuständigen Betreibungsamt ein Betreibungsbegehren gestellt. Der Lauf des Verzugszinses (gesetzlich 5%) beginnt dabei mit Stellung bzw. Empfang der Mahnung. Das Betreibungsamt erlässt nach Empfang des Betreibungsbegehrens den sogenannten Zahlungsbefehl, welcher die Aufforderung enthält, innert 20 Tagen den Gläubiger für die Forderungs- und Betreibungskosten zu befriedigen und die Mitteilung, dass der Schuldner innert 10 Tagen seit Erhalt des Zahlungsbefehls dagegen Rechtsvorschlag erheben kann.

Erhebt der Schuldner keinen Rechtsvorschlag, kann die Betreibung nach Ablauf der 20 Tage auf Pfändung oder Konkurs fortgesetzt werden.

Bei Erhebung des Rechtsvorschlags

Erhebt der Schuldner gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag, ist abzuklären, ob die Forderung auf einem schriftlichen und unterzeichneten Vertrag (in SchKG Art. 82 als durch Unterschrift bekräftigte Schuldanerkennung bezeichnet) beruht oder nicht. Im ersteren Fall stellt das Gesetz dem Gläubiger ein schnelles Rechtsöffnungsverfahren zur Verfügung. Im Kanton Bern reicht hierzu ein schriftliches Gesuch an das zuständige Gericht des Betreibungsortes (Wohnsitz oder Sitz des Schuldners), mit dem Rechtsbegehren, der Rechtsvorschlag sei zu beseitigen. Der Vertrag, die Rechnung, die Mahnung und der Zahlungsbefehl sind dem Gesuch beizulegen. Das Gericht fordert den Schuldner in der Folge zur Stellungnahme auf und entscheidet danach schriftlich.

Liegt keine schriftliche Schuldanerkennung im Rechtssinne vor, hat der Gläubiger das ordentliche Klageverfahren zu beschreiten. Im Kanton Bern ist dies zweigeteilt:

  • Für Forderungen unter Fr. 8000.– ist beim zuständigen Gericht ein Gesuch um Vorladung zum sogenannten Kompetenzverfahren zu stellen. Nach Stellung des Gesuchs (dem auch Beweismittel beigelegt werden können) findet dieses rein mündliche Verfahren seinen Fortgang in einer Vorladung zur Hauptverhandlung und der Durchführung derselben.
  • Geht es um eine Forderung über Fr. 8000.–, aber unter Fr. 30 000.–, ist vorgängig ein sogenannter Aussöhnungsversuch beim zuständigen Gericht durchzuführen, ebenfalls wiederum mit einem Gesuch um Vorladung. Verläuft der Aussöhnungsversuch ergebnislos, muss der Gläubiger innert der Klagefrist eine schriftliche Klage beim zuständigen Gerichtskreis einreichen. Wenn beide Parteien im Handelsregister eingetragen sind und die Forderung mehr als Fr. 30 000.– beträgt, ist in der Regel das Handelsgericht des Kantons Bern zuständig.

Generell wird empfohlen, spätestens vor der Einreichung von gerichtlichen Gesuchen/Klagen einen Anwalt zu konsultieren. Bei der Beurteilung, ob sich ein Gesuch/eine Klage lohnt, sollte nicht zuletzt auch auf die Bonität des Schuldners geachtet werden. Deshalb ist eine konkrete Beratung zu empfehlen.

Spezielles für Vermieter

Bezahlt der Mieter einer Wohnung oder eines Geschäftsraums die Miete nicht, kann die Mahnung nach Massgabe von OR Art. 257d mit der Androhung versehen werden, dass – sollte der Mieter den ausstehenden Mietzins (genau benennen) nicht innert 30 Tagen bezahlen – das Mietverhältnis ausserordentlich nach OR Art. 257d gekündigt wird. Geht innert der Frist von 30 Tagen, welche erst ab Empfang der Mahnung durch den Mieter läuft (darum eingeschrieben versenden), der Mietzins nicht ein, kann das Mietverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 30 Tagen auf das Ende eines Monats gekündigt werden (OR Art. 257d Abs. 2).

Für Vermieter von Geschäftsräumen besteht zusätzlich die Möglichkeit, für einen verfallenen Jahreszins und den laufenden Halbjahreszins ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten Räumlichkeiten befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören, errichten zu lassen. Hierfür wird beim zuständigen Betreibungsamt am Mietort ein Gesuch um Aufnahme einer Retentionsurkunde gestellt. Innert 10 Tagen nach Aufnahme der Retentionsurkunde muss die Betreibung eingeleitet werden, sonst ist die Retention hinfällig. Die weiteren betreibungsrechtlichen Schritte (siehe oben) sind zur Erhaltung des Retentionsbeschlags dann ebenfalls innert derselben Frist von 10 Tagen anzuheben. Dem Fristenmanagement ist deshalb grösste Beachtung zu schenken.

Fortsetzung der Betreibung

Wurde kein Rechtsvorschlag erhoben oder dieser rechtskräftig durch ein Urteil beseitigt oder zieht der Schuldner den Rechtsvorschlag später in einem Vergleich oder sonst wie zurück, kann die Betreibung entweder auf Pfändung oder auf Konkurs fortgesetzt werden. Beruht die Forderung auf einem Pfandrecht (wie einem Schuldbrief) ist die Betreibung auf dem Weg der Pfandverwertung weiterzuführen. Allen drei Betreibungsarten ist gemein, dass ein Fortsetzungsbegehren (je nach Betreibungsart) beim zuständigen Betreibungsamt gestellt werden muss. Der Schuldner unterliegt der Konkursbetreibung, wenn er im Handelsregister eingetragen ist, was für sämtliche juristische Personen (Genossenschaft, Aktiengesellschaft, GmbH etc.) gilt. Gegen natürliche Personen wird die Betreibung auf Pfändung fortgesetzt.

Bei der Betreibung auf Konkurs erhält der Schuldner die sogenannte Konkursandrohung mit der Aufforderung, die Schuld innert 20 Tagen zu begleichen. Tut er dies nicht, kann der Gläubiger beim zuständigen Gericht das Konkursbegehren einreichen. Dieses wird einfach durch Ausfüllen eines Formulars1 gestellt. Der Zahlungsbefehl, die Konkursandrohung und die Vollmacht bei Vertretung muss im Original beigelegt werden.

Bei der Betreibung auf Pfändung meldet sich das Betreibungsamt beim Schuldner an und vollzieht die Pfändung mittels Aufnahme einer Pfändungsurkunde und einer Abklärung, ob pfändbare Gegenstände vorhanden sind. Hat der Schuldner noch Arbeit und Lohn, kann auch der Lohn unter vorgängigem Abzug des Existenzminimums, welches je nach Fall durch das Betreibungsamt berechnet wird, gepfändet werden. Dabei wird der Arbeitgeber durch das Betreibungsamt aufgefordert, den pfändbaren Teil des Lohns an das Betreibungsamt zu zahlen. Der Gläubiger erhält nach Abschluss der Pfändung eine Abrechnung, aus welcher der ihm zustehende Betrag hervorgeht. Wenn kein pfändbares Vermögen und Einkommen vorhanden war, bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein und gibt dem Gläubiger das Recht, innert Jahresfrist die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Wurde pfändbares Vermögen festgestellt und nach dessen Verwertung der Gläubiger teilweise befriedigt, erhält er für den ungedeckten Teil seiner Forderung einen (definitiven) Verlustschein, welcher eine Schuldanerkennung nach SchKG Art. 82 darstellt. Damit kann der Gläubiger während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheins ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.

Verlustscheine verjähren innert 20 Jahren.

Hinweise

Das rechtliche Inkasso ist ein schnelles und «einfaches» Verfahren, aber stets mit einzuhaltenden Fristen für beide Seiten versehen. Das Verpassen von Fristen führt mitunter zu Rechtsverlusten oder doch zumindest dazu, dass ein Verfahren neu angefangen werden muss. Deshalb ist den Fristen grösste Beachtung zu schenken. Sie werden eingehalten, wenn die Rechtshandlung innerhalb der Frist vollzogen und der schweizerischen Post übergeben wird. Sämtliche fristgebundenen Handlungen haben deshalb als eingeschriebene Sendung zu erfolgen, damit die Einhaltung der Frist bewiesen werden kann.

Zur Vermeidung von Fehlern und zur Entlastung der Buchhaltung empfiehlt es sich deshalb, das rechtliche Inkasso entweder einer (seriösen) Inkassofirma zu übergeben oder einen Anwalt zu konsultieren. Die Erfahrung zeigt, dass Letzteres nicht immer das teurere Vorgehen ist. Zudem wird Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin zusammen mit Ihnen abklären, ob sich ein Inkassoverfahren überhaupt lohnt und ob es Aussicht auf Erfolg hat. Bei den Inkassofirmen wird dies teilweise ausgeblendet oder erst dann klar, wenn bereits vielAufwand betrieben wurde. In einem solchen Fall wirft man tatsächlich gutes Geld dem Schlechten nach.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allzeit gute Zahlungsmoral Ihrer Schuldner und ein erfolgreiches Inkassieren der Debitorenausstände.

Nützliche Hinweise:
www.schkg-be.ch/daten/aemter_adressen/d/alle.htm

Download Formulare Betreibungs-, Fortsetzungs- und Verwertungsbegehren:
www.betreibung-konkurs.ch/formulare_de.htm

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