Verkehrsbussen im Ausland
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Strafrecht

Verkehrsbussen im Ausland

Vor zwei Jahren fuhr Fridolin Ferienheimer mit seiner Familie auf Südfrankreich in die Ferien. Er erinnert sich gerne an diese erholsamen Tage. Doch heute morgen, als Herr Ferienheimer die Post durchgeht, taucht ein unangenehmes "Feriensouvenir" auf: Unter den Briefen findet er eine Sendung einer französischen Polizeibehörde, welche Herr Ferienheimer als Busse infolge Geschwindigkeitsüberschreitung entziffert. Herr Ferienheimer ärgert sich masslos und meint sogar, die Zustellung der Busse verletze die Souveränität der Schweiz.

Der nachfolgende Artikel verschafft einen Überblick über die geltende Rechtslage in Zusammenhang mit ausländischen Bussen und deren Vollstreckung.

Können Ordnungsbussen aus dem Ausland direkt zugestellt werden?

Die direkte Postzustellung aus dem Ausland kommt der Vornahme von Amtshandlungen auf schweizerischem Gebiet gleich und ist nur gestattet, soweit sie in Staatsverträgen vorgesehen ist, wenn der Empfangsstaat diese Zustellungsart verlangt oder sie (einseitig) zulässt oder soweit der Bundesrat sie für zulässig erklärt (vgl. Art. 68 Abs. 2 IRSG).

Für Ordnungsbussen ergibt sich eine solche Zustimmung des Bundesrates aus Art. 30 IRSV. Die Möglichkeit der direkten postalischen Zustellung von Ordnungsbussen ergibt sich zudem aus dem zweiten Zusatzprotokoll zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen sowie aus Art. 52 des Schengener Durchführungsübereinkommens.

Bussenentscheide können daher von ausländischen Behörden in der Schweiz direkt per Post zugestellt werden, ohne dass die Souveränität verletzt ist.

Können Ordnungsbussen aus dem Ausland in der Schweiz durchgesetzt werden?

Auch die Durchsetzung oder Vollstreckung von Ordnungsbussen aus dem Ausland ist in der Schweiz lediglich möglich, wenn dies in einem Staatsvertrag vorgesehen ist. Im Rahmen des Handlungsprogramms "Via sicura" sprach sich der Bundesrat dafür aus, die Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten im Zusammenhang mit der Vollstreckung ausländischer Bussen zu intensivieren.[1]

Aktuell besteht aber lediglich mit Frankreich ein solcher Staatsvertrag.[2] Mit Ländern wie Italien oder Österreich bestehen zwar Abkommen über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden, diese sehen jedoch keine engere Zusammenarbeit im Bereich der Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften vor.[3] Auch mit Deutschland besteht zwar ein Polizeikooperationsvertrag, die Vollstreckung von Verkehrsbussen scheitert derzeit an der fehlenden Umsetzung des Kapitel VI dieses Vertrags.[4]

Gemäss dem Staatsvertrag mit Frankreich leistet die Schweiz unter folgenden Voraussetzungen Vollstreckungshilfe bei rechtskräftigen Bussentscheidungen[5]:

  1.  Die verhängte Sanktion beträgt mindestens 70 Euro oder 100 Franken
  2.  das Ersuchen beschränkt sich auf die Einforderung eines Geldbetrags
  3.  der Entscheid ist nach dem geltenden Recht des ersuchenden Staates vollstreckbar und nicht verjährt
  4.  der Entscheid betrifft eine natürliche Person, die nach dem Recht des vollstreckenden Staates aufgrund ihres Alters und der Vorfälle, wegen deren der Entscheid getroffen wurde, strafrechtlich belangt werden kann

Wird eine französische Busse in der Schweiz vollstreckt, trägt die Schweiz die damit verbundenen Vollstreckungskosten, darf im Gegenzug aber den Erlös aus der Vollstreckung sowie die im Bussenentscheid festgelegten Verfahrenskosten für sich beanspruchen.[6] Im eingangs genannten Fall, droht Herrn Ferienheimer - zumindest wenn die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt sind  - daher das Inkasso der verfügten Busse durch die schweizerischen Behörden, sollte er diese nicht bezahlen.

Wie verhält es sich mit Ländern ohne staatsvertragliche Vollstreckungshilfe?

Ordnungsbussen aus Ländern ohne entsprechenden Staatsvertrag können in der Schweiz grundsätzlich nicht durchgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Bussen zwar zugestellt werden, bei Nichtbezahlung jedoch kein Inkasso droht.

Zu beachten ist aber, dass eine rechtskräftige Busse bei Nichtbezahlung im Ursprungsland nach wie vor vollstreckbar bleibt. Reist der fehlbare Autolenker erneut in das betreffende Land ein, drohen dort allenfalls empfindliche Sanktionen. Die Ursprungsländer können beispielsweise einen Eintrag in ihrem Fahndungssystem vornehmen, bei weiterer Zahlungsrenitenz eine Einreiseverweigerung verfügen und teilweise hohe Mahngebühren aufschlagen.

Fazit

Zusammenfassend dürfen Ordnungsbussen aus dem Ausland in der Schweiz direkt per Post zugestellt werden. Bei Nichtbezahlung der Busse droht jedoch nur im Falle von Frankreich die Vollstreckung derselben in der Schweiz. Bei den übrigen Ländern sind derzeit lediglich bei einer erneuten Einreise Konsequenzen zu befürchten.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 03/2016 veröffentlicht.

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