Altlasten und ihr Kataster
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Öffentliches Recht

Altlasten und ihr Kataster

Die Druckerei Flink AG hat vor Jahrzehnten ein nicht überbautes Grundstück ausserhalb des Zentrums erworben. Das Wachstum gebietet, davon Gebrauch zu machen und den Betrieb auf diesem Grundstück zu erweitern. Beim Aushub der Baugrube stösst die Unternehmung auf stinkendes Material. Nach Meldung bei den Behörden folgt die Anordnung, das verschmutzte Material einer besonderen Deponie zuzuführen, die Mehrkosten betragen Fr. 250.—/m3. Die Flink AG will den unbekannten Verursacher dieser Verschmutzung finden und zur Kasse bitten. Doch sie könnte scheitern.

Nachtrag 13. Oktober 2006[1] (mit Änderungen gemäss rev. USG ab 1.11.2006)

1. Altlasten sind ein Kind des Umweltschutzrechtes (USG und AltlV).[2]

2. Ein belasteter Standort ist eine mit Abfällen oder Schadstoffen belastete Fläche.

3. Eine Altlast ist ein sanierungsbedürftiger, belasteter Standort. Sanierungsbedürftig ist er, wenn er zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führt oder wenn konkrete Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen entstehen (AltlV Art. 2 Abs. 3).

4. Eine sogenannte Bauherrenaltlast liegt dann vor, wenn ein Standort zwar belastet, aber weder untersuchungs- noch sanierungsbedürftig ist. Ihren Namen hat die Bauherrenaltlast deshalb, weil in diesem Fall der Bauherr gemäss USG Art. 31c Abs. 1 bzw. Art. 32 als Abfallinhaber für die Entsorgung des belasteten Aushubs sorgen und aufkommen muss. Eine Überwälzung dieser Kosten auf den eigentlichen Verursacher ist nach öffentlichem Recht grundsätzlich ausgeschlossen. Immerhin kann er neu 2⁄3 der Mehrkosten für die Untersuchung und Entsorgung des Materials – beim Zivilrichter (!) – von den Verursachern der Belastung und den früheren Inhabern des Standortes verlangen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, davon insbesondere:[3]

  • Der klagende Inhaber muss das Grundstück zwischen dem 1.7.1972[4] und dem 1.7.1997[5] erworben haben,
  • zudem müssen entsprechende Ansprüche innert 15 Jahren nach in Kraft treten der Änderung am 1.11.2006 geltend gemacht werden.

5. Die Kantone haben bis Ende 2003 ein Kataster der belasteten Standorte zu errichten (AltlV Art. 5 und 6). Für diesen Kataster gilt der Grundsatz: Im Zweifel in den Kataster, gelöscht wird erst nach Vorliegen des Beweises, dass der Standort nicht belastet ist. Im Einzelnen ergänzt die Behörde den Kataster gemäss AltlV Art. 5f mit Angaben über:

  • Überwachungs- und Sanierungsbedürftigkeit;
  • Ziele und Dringlichkeit der Sanierung;
  • die von ihr durchgeführten oder angeordneten Massnahmen zum Schutz der Umwelt.
  • Löschung des Standortes, wenn die Untersuchungen ergeben, dass der Standort nicht belastet ist oder die umweltgefährdenden Stoffe beseitigt worden sind.

Im Kanton Bern ist der Kataster noch am Entstehen, er dürfte dereinst wohl öffentlich sein und ist bereits jetzt im Internet abrufbar.[6] Über viele Grundstücke können beim Kanton bereits Auskünfte beschafft werden, der Kanton macht die Eigentümer zudem auf vorgesehene Einträge im Kataster aufmerksam.[7]

6. Soweit nicht der Abfallinhaber (vgl. Ziff. 4 hievor) verantwortlich ist, bedient sich das Altlastenrecht im Allgemeinen des Begriffs «Störer».

  • Zustandsstörer ist, wer die tatsächliche oder rechtliche Herrschaft über einen Standort hat (Eigentümer, Mieter, Pächter oder Bauberechtigter) und damit sozusagen den Zustand eines kontaminierten Standortes aufrechterhält. Er hat die Kontamination häufig nicht durch sein eigenes Verhalten hervorgerufen. Der Begriff des Zustandsstörers ist identisch mit demjenigen des «Standortinhabers» gemäss AltlV Art. 20.
  • Der Verhaltensstörer ist derjenige, welcher aufgrund seines Verhaltens dafür verantwortlich ist, dass der Standort mit umweltgefährdenden Stoffen kontaminiert wurde. Er ist der eigentliche Verursacher im allgemein verstandenen Sinn.

Nach gängiger Praxis und mittlerweile wohl auch ausdrücklichem Wortlaut im Gesetz besteht – formell – keine Solidarhaftung verschiedener Störer (USG Art. 32d Abs. 2). Aus meiner Erfahrung ist dieser Grundsatz nur teilweise beruhigend: Der die Kosten verteilenden Behörde steht ein unermessliches Ermessen zu, sie kann ohne weiteres auch auf das Portemonnaie oder die Versicherung der verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten für die Kostentragung schauen.

7. Schliesslich ist auch die Realleistungspflicht von einiger Bedeutung: Die Praxis unterscheidet zwischen ihr und der Kostentragungspflicht. Realleistungspflicht heisst die öffentlichsrechtliche Pflicht, Untersuchungs-, Überwachungsund/oder Sanierungsmassnahmen durchzuführen und – vorerst – zu bezahlen.

8. Die Kostentragungspflicht bildet Gegenstand eines besonderen, zeitlich unter Umständen wesentlich späteren Verfahrens und ist im USG Art. 32d geregelt.[8]

9. Mit anderen Worten: Dass der eigentliche Verursacher (Verhaltensstörer) von Anfang an in das Verfahren einbezogen wird, ist im Altlastenrecht alles andere als sicher.

10. Ergibt die Untersuchung eines im Kataster eingetragenen Standortes, dass dieser nicht belastet ist, so trägt das zuständige Gemeinwesen die Kosten für die notwendigen Untersuchungsmassnahmen.[9]

Fussnoten

  1. Revision USG gemäss AS 2006, S. 2677 ff, sie tritt am 1.11.2006 in Kraft.
    Gute Darstellung von Stutz in URP 2006, S. 32 ff.

  2. Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG, SR 814.01), insbesondere Art. 32 und 32c – 32e und Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung, AltlV, SR 814.608).

  3. Wortlaut in USG Art. 32 bbis gemäss Revision.

  4. Inkrafttreten Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG).

  5. Inkrafttreten USG betreffend Altlasten.

  6. www.bve.be.ch/site/index/gsa/bve_gsa_altlasten/bve_gsa_alt_kbs.htm

  7. Auskunft beim kantonalen Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft GSA, Reiterstrasse 11, 3011 Bern (Tel. 031 633 39 11), wo auch eine weiterführende Broschüre erhältlich ist, sie kann im Internet abgerufen werden: www.gsa.bve.be.ch/d/waste_industry (6.9.2004).

  8. USG Art. 32d Abs. 3: «Die Behörde erlässt eine Verfügung über die Kostenverteilung, wenn ein Verursacher dies verlangt oder die Behörde die Sanierung selber vornimmt.»

  9. USG Art. 32d Abs. 5 in der Fassung der Revision.

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