Privatrecht
Bei Altliegenschaften, die seit Jahrzehnten vermietet sind, gut unterhalten werden und deren Mietzinse seit Jahren oder Jahrzehnten nahezu gleich geblieben sind und nur den Kostenfaktoren entsprechend angepasst worden sind (v.a. in den Jahren seit 2008 praktisch ausnahmslos Mietzinssenkungen mit Ausnahme der letzten drei Jahre), stellt sich jedem institutionellen Vermieter und insbesondere Pensionskassen die Frage, ob noch eine angemessene Rendite erzielt werden kann. Dies umso mehr, als dass bei Pensionskassen kein Fremdkapital investiert ist, was zusätzlich schon rechnerisch eine relativ bescheidene Eigenkapitalverzinsung ergibt.
Die Pensionskassen sind gesetzlich dazu verpflichtet, den auf dem Markt erzielbaren Ertrag zu generieren, und dies im Interesse der Versicherten und zur Sicherstellung der Renten und der Verzinsung der Sparkapitalien. Hier entsteht ein Spannungsfeld zwischen der (in der Regel politisch motivierten) Absicht, kostengünstige Mieten anzubieten, und einer kostendeckenden Verzinsung des investierten Pensionskassenkapitals.
Die Anpassungsmöglichkeiten im laufenden Mietverhältnis sind aber sehr beschränkt und bei tiefen Mietzinsen ist auch mit einer sehr kleinen Fluktuationsrate zu rechnen, also werden die Wohnungen kaum neu vermietet, was eine (nicht einmal moderate) Anpassung ermöglichen würde. Der vorliegende Aufsatz zeigt auf, dass in solchen Situationen manchmal nur die Kündigung aller Mietverträge und eine Neuvermietung möglich sind, damit man sich keiner Rechtsmissbräuchlichkeit aussetzen muss. insbesondere ist es nicht gestattet, die bisherigen Mieter zu informieren und mit einem neuen, nach sogenannt «absoluter Methode» berechneten, Mietzins zu konfrontieren, denn eine nachfolgende Kündigung wäre missbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts.
Es stellt sich bei einer Mietzinsanpassung stets die Frage, welche Berechnungsmethode für die Bestimmung des korrekten Mietzinses die richtige ist. Dabei kann die Rechtsprechung zur Frage der Einrede des Mieters gegen Mietzinserhöhungen herangezogen werden.
Grundsätzlich kann sich die Mieterschaft gegen eine nach relativer Methode (Hypozinserhöhung, Teuerung und Kostensteigerung) korrekt ermittelte Mietzinserhöhung auf drei Einreden berufen: auf die übersetzte Nettorendite, auf die übersetzte Bruttorendite oder auf die Orts- und Quartier üblichkeit. Die Nettorendite stellt den Regelfall dar, was bereits aus dem Randtitel des Gesetzes hervorgeht (Art. 269 OR). In einem Grundsatzentscheid aus dem Jahr 1998 bestätigte auch das Bundesgericht, dass der Nettorendite der Vorrang zukommt.[1] Die Bruttorendite und die Orts- und Quartier üblichkeit bilden die Ausnahmen. Bei älteren Bauten, für die Investitionsbelege fehlen, wird auf die Behelfsgrösse der Orts- und Quartierüblichkeit (Art. 296a lit. a OR) und bei neueren Bauten wird auf die Bruttorendite abgestellt (Art. 269a lit. c OR).
Liegt eine Altliegenschaft vor, so wird gemäss Bundesgericht nicht auf die Nettorendite, sondern auf die orts- und quartierüblichen Mietzinse abgestellt (vgl. BGE 140 III 433, E. 3.1.1). Das Bundesgericht hielt fest, dass bei Altliegenschaften der Beurteilung nach Orts- und Quartierüblichkeit gegenüber der Nettoertragsüberprüfung der Vorzug zu geben ist (E. 2.2 m.w.H.). Im Entscheid BGer 4A_400/2017 äusserte sich das Bundesgericht zu dieser Frage und erklärte, dass eine Liegenschaft als alt zu betrachten sei, sofern sie mindestens 30 Jahre vor Beginn des Mietverhältnisses erbaut oder erworben wurde (E. 3.2).
Das Bundesgericht hat in diesem Entscheid aber auch festgehalten, dass der Vorrang der Orts- und Quartierüblichkeit nicht verhindere, dass ein Vermieter sich auf die Nettorendite berufen kann, um nachzuweisen, dass er nach Massgabe des Kriteriums des Nettoertrags keine übermässige Rendite erzielt. Die Orts- und Quartierüblichkeit zu beweisen, ist fast ein «Ding der Unmöglichkeit» (Gleichartigkeit der Objekte, fünf Vergleichsobjekte usw.).
Die Nettorendite ist der Stützpfeiler des Missbrauchsschutzes.[2] In jedem Fall gilt, dass der Mietzins nicht als übersetzt gelten kann, wenn die zulässige Nettorendite nicht übertroffen wird.
Eine Liegenschaft mit neun Wohnungen wurde durch eine Firma im Jahre 1946 für einen damaligen Kaufpreis von CHF 250 000.– erworben. Teuerungsbereinigt wären das heute ca. CHF 1,5 Mio. Nicht eingerechnet sind nicht mehr nachvollziehbare wertvermehrende Investitionen. Es handelt sich somit klar um eine Altliegenschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Der ursprüngliche Anlagewert kann kaum herangezogen werden. Belege sind nicht mehr vorhanden.
Die Liegenschaft wurde 2011 für einen Buchwert von CHF 1,8 Mio. von der Firma an ihre Personalvorsorgestiftung übertragen. Reine Bilanzwerte können als Anlagekosten für eine Nettorenditeberechnung nicht herangezogen werden. Zudem wurde durch die Übertragung an einen Dritten die Berechnung nach ursprünglichen Anlagekosten «unterbrochen». Die Bewertung durch eine Schätzungsfirma schliesst heute auf einen Marktwert von CHF 5,2 Mio. Der amtliche Wert beträgt CHF 3,3 Mio. und der GVB-Versicherungswert beträgt CHF 3,75 Mio. Dies sind aber reine Richtgrössen ohne Bezug auf die Kostenberechnung.
Es ist zuerst das investierte Eigenkapital zu bestimmen. Wie bereits gesagt, können die tatsächlichen Anlagekosten kaum mehr bestimmt werden. Grundsätzlich wäre ja der Kaufpreis massgebend, welcher um die wertvermehrenden Investitionen anzupassen und teuerungsbereinigt zu berechnen wäre. Bei Investoren ohne Fremdmittel kann das gesamte Anlagekapital als Eigenmittel verstanden werden.
Bei besonders subjektiven Verhältnissen des Familien- und Erbrechts oder etwa auch bei gemischten Schenkungen kann vom tatsächlich angerechneten Preis abgewichen werden.[3] Mit dem Vorzugspreis soll der Vermieter, aber nicht der Mieter begünstigt werden. In diesem Fall kann deshalb auf den Marktpreis im Zeitpunkt der Schenkung zurückgegriffen werden.[4] Kein besonderes Verhältnis soll aber beispielsweise der Fall sein, in welchem eine Übertragung der Liegenschaft an eine Pensionskasse zum Buchwert erfolgt.[5] Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies nicht richtig.
Wenn man die «besonderen Verhältnisse», wie soeben beschrieben, auch für die Übertragung von Liegenschaften an eine Pensionskasse versteht, könnte man auf den Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung – in casu 2011 – abstellen und von dort aus die wertvermehrenden Investitionen und die Teuerung aufrechnen. Weit weg vom von der Schätzerin festgestellten Wert von CHF 5,2 Mio. dürfte man damit nicht gelangen.
Eine Nettorenditeberechnung ist immer zulässig, auch bei Altbauten (sofern bestimmbar).
Eine Berechnung des investierten Eigenkapitals könnte allenfalls auf einem Verkehrswert im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Personalvorsorgeeinrichtung und mit Aufrechnungen basieren.
Alternativ kann immer die Orts- und Quartierüblichkeit «bemüht» werden. Das Beweismass ist aber derart hoch, dass diese Möglichkeit praktisch ausscheidet. Hier sind in der Legislative Bestrebungen im Gang, dies zu erleichtern (u.a. drei statt fünf Vergleichsobjekte). Die Schwierigkeiten würden weniger, bleiben aber bestehen.
Liegen die Mietzinse nach einer Kündigung der Objekte oder nach einem Leerstand innerhalb der zulässigen Nettorendite für das betreffende Objekt (zurzeit maximal 3,75% nach der neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung) – und das wäre wohl zu erwarten –, dürfte eine Anfangsmietzinsanfechtung wenig Aussichten auf Erfolg haben.
Die Erhöhung des Mietzinses im laufenden Mietverhältnis aufgrund der nicht kostendeckenden Nettorendite ist nicht zulässig.
Die Erhöhung des Mietzinses aufgrund der Orts- und Quartierüblichkeit im laufenden Mietverhältnis ist nur unter ganz engen Grenzen und hohen Voraussetzungen möglich, aber nicht zu empfehlen. Das Prozessrisiko ist immens.
Eine Kündigung der Mietverhältnisse mit zu tiefen Mieten mit der Begründung, dass die kostendeckende Nettorendite nicht erreicht ist oder dass man auf dem Markt einen höheren – zulässigen – Mietzins erzielen kann, ist nach Bundesgericht grundsätzlich zulässig.
Bei Neuvermietung kann die neue Mietpartei den Anfangsmietzins anfechten, die formellen Voraussetzungen hierzu dürften gegeben sein (insbesondere eine Erhöhung der Miete der Vormieterschaft um mehr als 10% dürfte gegeben sein). Hier würde sich dann zeigen, ob die hier innovativ vertretene Ansicht der Betrachtung der Nettorendite und die Berechnungen dazu entgegengehalten werden können. Alternativ kann immer noch geltend gemacht werden, dass der Mietzins nicht orts- und quartierüblich ist, und der (schwierige) Beweis dazu angetreten werden.
Fussnoten
BGE 124 III 310 = mp 3/98 S. 133
mp 2017 S. 169 ff.
mp 2017 S. 169 ff.
BGer 4A_276/2011 vom 11.10.2011
mp 2023 S. 27
mp 4/04 S. 200, Entscheid Mietgericht ZH 4.9.2003