Arbeitsrecht während COVID-19
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Privatrecht

Arbeitsrecht während COVID-19

Die derzeit vorherrschende Notlage im Zusammenhang mit der Pandemie (COVID-19 / Coronavirus) hat einschneidende Auswirkungen auf arbeitsrechtliche Verhältnisse. Nachfolgend sind die zentralen Rechtsfragen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in aller Kürze zusammengefasst.

Übersicht über die behördlichen Anordnungen

Am 13. März 2020, 15.30 Uhr, trat die COVID-19-Verordnung 2 (SR 818.101.24) in Kraft. Die Änderungen vom 16. März 2020 traten am 17. März 2020, 0.00 Uhr in Kraft. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind insbesondere folgende Regelungen erwähnenswert:

  • Öffentliche und private Veranstaltungen sind verboten (Art. 6 Abs. 1). Die Kantone dürfen lediglich eigene Regeln erlassen, sofern die Verordnung keine Vorgaben macht (Art. 1a der COVID-19-Verordnung 2; vgl. auch Art. 7 des Epidemiengesetzes, SR 818.101).
  • Öffentlich zugängliche Einrichtungen, namentlich (d.h. die Aufzählung ist nicht abschliessend) Läden, Märkte, Restaurants, Bars, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe, Bibliotheken, Kinos, Konzer- und Theaterhäuser, Sportzenter, Schwimmbäder und Skigebiete werden geschlossen (Art. 6 Abs. 2). Nicht betroffen sind reine Beratungsdienstleistungen wie bspw. Treuhandbüros oder Anwaltskanzleien. Zudem gelten nicht als öffentlich zugängliche Betriebe Handwerks- und Gewerbebetriebe. Auch Baustellen sind grundsätzlich nicht öffentlich zugänglich und daher vom Verbot nicht betroffen (vgl. auch Erläuterung zur Verordnung 2 des Bundesamtes für Gesundheit BAG, Stand 19. März 2020, 8:00 Uhr).
  • Einrichtungen und Betriebe, welche geöffnet bleiben dürfen (vgl. Art. 6 Abs. 3), müssen die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit betreffend Hygiene und sozialer Distanz einhalten (Art. 6 Abs. 4).
  • Die Kantone überwachen die Einhaltung der Massnahmen (Art. 9). Die zuständigen kantonalen Behörden können in Betrieben und an Örtlichkeiten jederzeit unangemeldet Kontrollen durchführen. Die Anordnungen der zuständigen kantonalen Behörden bei den Kontrollen vor Ort sind unverzüglich umzusetzen (Art. 8 Abs. 1 und Abs. 3).
  • Besonders gefährdete Personen müssen zuhause bleiben und Menschenansammlungen meiden (Art. 10b Abs. 1). Als besonders gefärdete Personen gelten Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabethes, Herz-Kreislauf-Erkrankung, chronische Atemwegserkrankung, Erkrankugen und Therapien, die das Imunsistem schwächen, Krebs (Art. 10b Abs. 2).
  • Als Pflicht der Arbeitgeber definiert: Besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erledigen ihre Arbeit von zu Hause aus. Andernfalls sind diese unter Lohnfortzahlung zu beurlauben (Art. 10c Abs. 1). Es besteht eine persönliche Meldepflicht. Der Arbeitgeber kann ein ärztliches Attest verlangen (Art. 10c Abs. 2).

Zur Fürsorgepflicht der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber unterliegt gegenüber den Arbeitnehmenden einer Fürsorgepflicht. Zum Schutz von Leben und Gesundheit hat der Arbeitgeber alle "Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind" (Art. 328 OR).

Derzeit hat der Arbeitgeber insbesondere dafür zu sorgen, dass die Vorgaben der Covid-19-Verordnung 2 eingehalten werden. Er hat insbesondere Massnahmen zu treffen, welche die Einhaltung der Hygienevorschriften und der gefordete Abstand gewährleisten. Ist dies am Arbeitsort nicht möglich, sind die Möglichkeiten von Homeoffice zu prüfen und gegebenenfalls anzuordnen.

Zur Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers

Im Schweizerischen Recht besteht der Grundsatz, wonach ohne Arbeit kein Lohn geschuldet ist. Selbstverständlich bestehen hierzu Ausnahmen. Es wird beispielhaft auf folgende Konstellationen hingewiesen:

  • Ist der Arbeitnehmer infiziert oder weist er entsprechende Symptome auf, liegt ein Fall von unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vor. Der Arbeitnehmer hat gestützt auf Art. 324a OR Anspruch auf Lohnfortzahlung während einer beschränkten Dauer.
  • Das Gleiche gilt auch, wenn der Arbeitnehmer infolge Verdachts auf Erkrankung und gleichzeitiger Anweisung des Arbeitgebers vorerst zu Hause bleibt.
  • Tritt der Arbeitnehmer lediglich aus Angst vor einer Ansteckung und ohne entsprechende Weisung des Arbeitgebers nicht zur Arbeit an, greift grundsätzlich der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn". Ausnahmen hiervon sind lediglich denkbar, wenn der Gesundheitsschutz nach den derzeit geltenden Hygienevorschriften am Arbeitsplatz nicht eingehalten werden.
  • Hat ein Betrieb auf behördliche Anweisung (z.B. gestützt auf die COVID-19-Verordnung 2) hin zu schliessen, kann der Arbeitnehmer die Arbeit ebenfalls nicht antreten. Ob diesbezüglich eine Lohnvorzahlungspflicht besteht, ist umstritten. Mangels anderweitiger gesetzlicher Grundlage wird hierseitig die Auffassung vertreten, dass ein Fall der objektiven Unmöglichkeit (Art. 119 OR) vorliegt, welche wiederum zum Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" führen würde. Gleichzeitig ist in solchen Fällen auf die Möglichkeit der Kurzarbeit zu verweisen.

Die Lohnfortzahlungspflicht ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Eine generelle Aussage ist aufgrund der neuartigen Umstände nicht möglich.

Zur Möglichkeit der Kurzarbeit

Kurzarbeit kann bei der kantonalen zuständigen Amtsstelle (im Kanton Bern: Amt für Arbeitslosenversicherung, Rechtsdienst) beantragt werden. Der Bundesrat hat die Karenzfrist ab dem 13. März 2020 bis am 30. September 2020 auf einen Tag reduziert (Art. 50 Abs. 1 AVIV, SR 837.02, Stand 13. März 2020). Aufgrund der unerwarteten Umstände wird derzeit zudem von einer Voranmeldefrist von drei Tagen ausgegangen (Art. 58 Abs. 1 AVIV).

Ist der Arbeitsausfall auf eine behördlich angeordnete Massnahme zurückzuführen, besteht in aller Regel Anspruch auf eine Kurzarbeitsentschädigung. Die weiteren Voraussetzungen sind (vgl. Art. 32 f. AVIG, SR 837.0):

  • Schriftliches Einverständnis des Arbeitnehmers
  • Ungekündigtes Arbeitsverhältnis
  • Nur vorübergehender Arbeitsausfall
  • Kontrollierbare Arbeitszeiten
  • Reduktion der Arbeitszeit beträgt mindestens 10%
  • Anmeldung drei Tage vor Beginn der Kurzarbeit (sog. Voranmeldefrist)
  • Keine Lehrlinge, Temporärmitarbeiter oder befristet angestellte Mitarbeiter betroffen

Weitergehend wird auf folgenden Link verwiesen: https://www.vol.be.ch/vol/de/index/arbeit/arbeitsmarkt/kurzarbeitsentschaedigung.html.

Die Höhe der Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 % des üblichen Lohns.

Zusammenfassung

Die behördlichen Massnahmen führen zu einschneidenden, arbeitsrechtlichen Folgen. Eine Pandemie stellt jedoch kein übliches Szenario dar. Mangels Rechtsprechung sind die Rechtsfolgen teilweise ungewiss. Bei komplizierten Fällen wird grundsätzlich zum frühzeitigen Beizug einer juristischen Fachperson geraten.

Stand: 19. März 2020 16:00 Uhr

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