Privatrecht
Die Diskussion über das Fortdauern der Mietzinspflicht trotz behördlicher Anordnung der Betriebseinstellung geht sowohl in der Fachwelt unter Juristen als auch in der Politik weiter. Auf der rechtlichen Ebene liegt das de lege lata kaum lösbare Problem in der Natur des zweiseitigen Vertrages, wie die nachfolgenden vergleichenden Überlegungen zu Miete und Pacht aufzeigen.
Im zweiseitigen Vertrag stehen sich Leistung und Gegenleistung der Parteien gegenüber. Art. 253 OR beschreibt die typischen Leistungen der Parteien im Mietvertrag kurz und bündig: Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter eine Sache zum Gebrauch zu überlassen, und der Mieter, dem Vermieter dafür einen Mietzins zu leisten. Die Leistung des Vermieters erschöpft sich vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung in der Überlassung, der Gebrauch der Mietsache ist Angelegenheit des Mieters. Die Pflichten des Vermieters werden in Art. 256 OR dahingehend konkretisiert, dass er die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten hat. Das Gesetz gewährt dem Mieter spezifische Rechtsbehelfe für den Fall, dass die Mietsache bereits zu Beginn des Mietvertrages Mängel aufweist, wie auch für den Fall des späteren Eintritts von Mängeln, welche die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache beeinträchtigen. Kennt der Vermieter den Mangel und beseitigt er ihn nicht innert angemessener Frist, so stehen dem Mieter die Rechte gemäss Art. 259b ff OR zu, insbesondere das Recht auf Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR). Die Diskussion über Weiterbestehen oder vorübergehende Befreiung von der Pflicht, Mietzins zu bezahlen, passt nicht in dieses System. Kaum jemand will allen Ernstes behaupten, ein während Jahren erfolgreich als Gastwirtschaft betriebenes Mietobjekt sei aufgrund des Bundesratsbeschlusses für den Weiterbetrieb plötzlich untauglich geworden, ohne dass sich an der Mietsache irgendwelche Veränderungen eingestellt hätten. Ebenso wenig kann vom Vermieter erwartet werden, dass er den Zustand behebe, welcher den Betrieb als Gastwirtschaft verunmöglicht. Vor diesem Hintergrund versagen die herkömmlichen Betrachtungen über die Leistungsstörung oder die Unmöglichkeit, die vertragliche Leistung seitens des Vermieters zu erbringen.
Anders liegen die Dinge beim Pachtvertrag. Durch den Pachtvertrag verpflichtet sich der Verpächter, dem Pächter eine nutzbare Sache oder ein nutzbares Recht zum Gebrauch oder zum Bezug der Früchte oder Erträgnisse zu überlassen, und der Pächter, dafür einen Pachtzins zu leisten (Art. 275 OR). Die Umschreibung der Leistung des Verpächters (Überlassung einer nutzbaren Sache) geht weiter als im Mietvertrag. Erweist sich die Sache als nicht nutzbar, erbringt der Verpächter seine Leistung nicht ordnungsgemäss. Der Vermieter wird im Gegensatz dazu durch die reine Überlassung der Mietsache zum Gebrauch befreit, ungeachtet der Nutzbarkeit der Mietsache, solange diese nur zum vorausgesetzten Gebrauch tauglich ist. Das Bundesgericht geht bei Gastwirtschaftsbetrieben von Pacht aus, wenn ein vollständig ausgerüstetes und betriebsfertig eingerichtetes Lokal mit allen für den Gastwirtschaftsbetrieb notwendigen Einrichtungen, Installationen und Gerätschaften überlassen wird (BGE 128 III 419). Analoge Überlegungen lassen sich natürlich auch für Gewerbebetriebe in anderen Branchen anstellen. Wo ein ganzes Unternehmen verpachtet wird, muss Gleiches gelten. Zum Vertragsinhalt gehört bei der Pacht, dass der mit der Bewirtschaftung der Pachtsache erzielte Ertrag dem Pächter gehört. Die Pachtsache muss, da der Verpächter sie wie der Vermieter in einem zum Gebrauch tauglichen Gebrauch zu übergeben hat (Art. 278 OR), mithin die Erzielung eines Ertrages ermöglichen. Der Verpächter haftet daher, jedenfalls bei Pachtbeginn, für die Ertragsfähigkeit der Pachtsache (BSK OR- Studer/Koller, N 2 zu Art. 278). Der Pächter anderseits muss die Sache sorgfältig gemäss ihrer Bestimmung bewirtschaften, insbesondere für nachhaltige Ertragsfähigkeit sorgen (Art. 283 OR). Tut er das, stellt sich die Frage, wie mit einer Situation zu verfahren ist, bei welcher die Ertragsfähigkeit aus Gründen, welche weder der Verpächter noch der Pächter zu vertreten hat, endgültig oder vorübergehend entfällt.
Im Unterschied zum Mietvertrag liegt in einer solchen Entwicklung beim Pachtvertrag offensichtlich eine Leistungsstörung. Ist die Ertragsfähigkeit vorübergehend ausgesetzt, erleidet die Pachtsache einen Mangel. Die Mängelrechte des Pächters decken sich mit den Rechten des Mieters. Der Verpächter hat demnach den Mangel zu beheben, sobald er davon Kenntnis erhält. Allerdings ist der Verpächter offenkundig dazu nicht in der Lage. In dieser Hinsicht besteht auf Seiten des Verpächters ein Zustand objektiver Unmöglichkeit. Welche Auswirkungen ergeben sich aus dieser Situation im System des zweiseitigen Vertrages?
Bleibt die Behebung des Mangels auf Rüge des Pächters aus, stehen ihm die Rechtsbehelfe gemäss Art. 258 und 259a - 259i OR zu, mithin die gleichen Rechte wie dem Mieter. Wie im Mietvertrag ist aber festzuhalten, dass auch der Verpächter nicht in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen. Im Mietvertrag ist die Ausgangslage jedoch insofern eine andere, als die Mietsache keinen Mangel erleidet, wenn der Bundesrat die Gastwirtschaftsbetriebe schweizweit schliesst. Es besteht im Mietvertrag daher weder eine Pflicht noch eine Möglichkeit des Vermieters, Abhilfe zu schaffen. Unterlässt er dies, kann der Mieter daraus keine Rechte ableiten. Im Pachtvertrag erleidet die Sache dagegen einen Mangel infolge Unterganges der Ertragsfähigkeit. Der Verpächter ist indes offenkundig nicht in der Lage, diese Situation zu ändern. In Bezug auf seine vertragliche Nebenpflicht, die Ertragsfähigkeit zu erhalten, liegt ein Fall objektiver Unmöglichkeit vor.
Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen. Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung (Art. 119 Abs. 1 und 2 OR). Auf den Pachtvertrag angewendet bedeutet das nach Auffassung des Autors, dass die vertragliche Nebenpflicht, die Ertragsfähigkeit zu erhalten, zufolge objektiver Unmöglichkeit erloschen ist. Als Folge davon verliert der Verpächter die noch nicht erfüllte Gegenforderung. Anders gesagt, geht die Pflicht, den Pachtzins zu entrichten, unter.
Es bleibt zu prüfen, wie sich eine solche Rechtsfolge auf der Zeitachse auswirkt. Nach Art. 259d OR kann der Mieter (Pächter) verlangen, dass der Vermieter (Verpächter) vom Zeitpunkt, in dem er vom Mangel Kenntnis erhalten hat, den Mietzins bis zur Behebung des Mangels entsprechend herabsetzt. Dabei werden Beginn, Ausmass und Ende der Minderung nicht durch irgendeine Erklärung des Mieters (Pächters), sondern allein durch den konkreten Mangel und dessen Kenntnis seitens des Vermieters (Verpächters) fixiert (BSK OR-Weber, N 4 zu Art. 259d OR). Für die aktuelle Situation bedeutet dies, dass ein Verpächter mit der Bekanntgabe des Bundesratsbeschlusses seinen Anspruch auf Bezahlung des Pachtzinses für die Dauer der Schliessung der Lokale verliert. Für diesen Zeitraum bereits bezogene Pachtzinse müssen nach den Bestimmungen der ungerechtfertigten Bereicherung rückerstattet werden.
Anderseits haftet der Verpächter nicht für ein bestimmtes Ausmass der Ertragsfähigkeit. Wird die Öffnung der Gastwirtschaftsbetriebe wieder zugelassen, jedoch nur unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvorschriften, lebt die Pflicht zur Entrichtung des Pachtzinses vollumfänglich wieder auf.
Nun kann man sich fragen, wie weit nicht Gleiches gelten muss in Mietverträgen, welche in Bezug auf die Ertragsfähigkeit der Mietsache Zusagen des Vermieters enthalten. Nach hier vertretener Auffassung kann diese Rechtslage jedenfalls nicht übertragen werden auf Mietverträge, welche den Mieter nur dazu verpflichten, die Mietsache zu nutzen. Eine Nutzungspflicht dient dem Interesse des Vermieters an der Erhaltung des merkantilen Werts des Geschäftsstandorts. Der Mieter wird damit nur verpflichtet, die Mietsache nach bestem Wissen und Gewissen zu betreiben. Damit wird jedoch keine Leistungspflicht des Vermieters begründet wie im Pachtvertrag, wo die Tauglichkeit des Objekts zu Ausnützung ausdrücklich zum Vertragsgegenstand wird. Enthält der Vertrag dagegen bestimmte Zusicherungen hinsichtlich der Ertragskraft des Standorts, dürfte eine Rechtsanwendung analog zum Pachtvertrag angezeigt sein. Man mag argumentieren, ein hoher Mietzins sei Ausdruck hoher Gewinnerwartung. Der Vermieter wecke mit seiner Mietzinsgestaltung bestimmte Erwartungen beim Mieter. In tatsächlicher Hinsicht entspricht diese Sichtweise sicher der Realität. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei um eine Erwartung des Mieters, nicht um eine Zusicherung des Vermieters. Eine Übertragung der Überlegungen zum Pachtvertrag ist nur zulässig, wenn der Mietvertrag entsprechende Zusicherungen des Vermieters aufweist.
Die Ertragsfähigkeit stellt im Mietvertrag anders als im Pachtvertrag keine zugesicherte Eigenschaft der zum Gebrauch überlassenen Sache dar. Ist sie vorübergehend als Folge von behördlichen Anordnungen eingeschränkt oder ausgeschlossen, liegt darin keine Leistungsstörung auf Seiten des Vermieters. Anders wäre nur zu urteilen, wenn der konkrete Mietvertrag diesbezügliche Zusicherungen enthielte.