Crowdfunding - Das Verhältnis der Miteigentümer ge...
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Privatrecht

Crowdfunding - Das Verhältnis der Miteigentümer gegenüber Dritten

Bei einer Immobilienfinanzierung mittels Crowdfunding entsteht unter den Teilnehmern eine Miteigentümergemeinschaft, für deren Mitglieder verschiedene Rechte und Pflichten bestehen, da Art. 646 Abs. 3 ZGB bestimmt, dass jeder Miteigentümer für seinen Anteil die Rechte und Pflichten eines Eigentümers hat.[1] Bei einer derartigen Investition ist also besonders darauf zu achten, welche Pflichten dies gegenüber Dritten sein können, um allfällige Risiken einschätzen zu können. Das soll im nachfolgenden Aufsatz näher beleuchtet werden.

Verantwortlichkeit des Grundeigentümers aus Nachbarrecht / Werkeigentümerhaftung

Der erste Aspekt, der beachtet werden muss, ist die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers gegenüber den Nachbarn, insbesondere den angrenzenden Grundstücken, welche in Art. 679 Abs. 1 ZGB geregelt wird. Gemäss dieser Bestimmung kann derjenige, der dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht wird, auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen den drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.[2] Wird also beispielsweise ein Baum auf dem Grundstück der Miteigentümergemeinschaft krank und fällt dann auf das Nachbarhaus, so kann dies dort erheblichen Schaden am Gebäude anrichten; im schlimmsten Fall kommen durch die Überschreitung des Eigentumsrechts gar Personen zu Schaden. Für diesen Schaden sind die Miteigentümer haftbar und sie könnten zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet werden, welcher je nach Höhe die Miteigentümer empfindlich treffen könnte, da diese hierfür solidarisch haften.

Neben der Verantwortlichkeit der Grundeigentümer aus Nachbarrecht kann für diese auch die Werkeigentümerhaftung relevant werden. Gemäss Art. 58 OR muss der Eigentümer eines Gebäudes den Schaden ersetzen, den dieses infolge fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder mangelhafter Unterhaltung verursacht. Nicht vorausgesetzt wird ein Verschulden des Eigentümers; dieser haftet also auch, wenn der Schaden objektiv gesehen nicht durch seine fehlende Sorgfalt verursacht wurde. Diese kausale Haftung des Werkeigentümers wird damit begründet, dass der Eigentümer, der die wirtschaftlichen Vorteile durch das Werk nutzt, auch für sämtliche Schäden haften soll, die auf dessen mangelhaften Zustand zurückgeführt werden können.[3]

Als Beispiel hierzu kann etwa ein Urteil des Bundesgerichts genannt werden, in welchem eine Person in einem Badezimmer mit Gasdurchlauferhitzer eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung erlitt.[4] Hierbei handelt es sich sicherlich um einen Extremfall, der aber anschaulich aufzeigt, welche Haftungsrisiken für Grundeigentümer entstehen können (man denke beispielsweise an herabfallende Ziegel, welche ein Auto beschädigen). Es empfiehlt sich deshalb, mit dem Abschluss einer Gebäudehaftpflichtversicherung solche Risiken zu versichern.

Solidarische Haftung der Miteigentümer

Die Miteigentümer haften für Schadenersatzansprüche aus ausservertraglicher Schädigung (z. B. aus Nachbarrecht oder aus Werkeigentümerhaftung) solidarisch.[5] Die Begründung dafür liegt darin, dass ein Betroffener nicht gegen jeden einzelnen Miteigentümer auf dessen Anteil klagen muss und wegen einer allfälligen Insolvenz eines Eigentümers nicht zu Verlust kommen soll.

Für die betroffenen Eigentümer bedeutet die solidarische Haftung gemäss Art. 143 ff. OR, dass der Gläubiger von jedem der Eigentümer (Schuldner) die ganze Leistung fordern kann. Wird von einem Schuldner die Leistung an den Gläubiger erbracht, so werden zugleich die anderen Schuldner befreit.[6]

Dem Gläubiger steht das Recht zu, unter mehreren Solidarschuldnern einen beliebigen, meistens wird dies der zahlungskräftigste sein, auszuwählen und von diesem dann die ganze Leistung zu verlangen. Dies kann bei einer Miteigentümergemeinschaft also dazu führen, dass ein einzelner Miteigentümer die gesamte Schuld alleine bezahlen muss. Zwar kann er intern gegenüber den anderen Miteigentümern Rückgriff (Regress) nehmen (Art. 148 Abs. 2 OR). Soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde (z.B. vertraglich oder in einer Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Miteigentümer), müssten solche Kosten von den einzelnen Miteigentümern im Verhältnis ihrer Anteile getragen werden (Art. 649 Abs. 2 ZGB).[7] Die Geltendmachung des Rückgriffs durch einen einzelnen Miteigentümer gegenüber den anderen an der Gemeinschaft Beteiligten ist somit möglich, kann aber mit erheblichem Aufwand und Risiko verbunden sein. Sollten diese sich weigern, zu bezahlen,[8] so müsste ein langwieriger Zivilprozess mit entsprechendem Aufwand und Kostenrisiko angestrengt werden.[9]

Gemäss Art. 649b Abs. 1 ZGB kann ein Miteigentümer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn er seine Verpflichtungen gegenüber den anderen Miteigentümern so schwer verletzt, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht zugemutet werden kann. Umstritten ist, ob die Verletzung von finanziellen Verpflichtungen einen Ausschlussgrund im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Es wäre deshalb empfehlenswert, eine entsprechende Regelung in eine Nutzungs- und Verwaltungsordnung aufzunehmen. So könnte z. B. auch vereinbart werden, dass den Miteigentümern ein limitiertes Kaufsrecht am Miteigentumsanteil des zahlungsunfähigen bzw. -unwilligen Miteigentümers eingeräumt wird, sollte dieser seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen.[10] Hierdurch kann man zwar nicht direkt eine Zahlung erwirken, doch kann immerhin auf den Miteigentümer Druck ausgeübt werden, um ihn zur Zahlung anzuhalten.

Unterhaltspflicht des Vermieters aus dem Mietrecht

Die Immobilien, welche durch ein Crowdfunding finanziert sind, werden vermietet. Durch die Mietzinseinnahmen resultiert erst die Rendite, welche bei einer solchen Investition erzielt werden soll.[11] Man muss sich also stets bewusst sein, dass die Miteigentümergemeinschaft als Vermieterin der betreffenden Liegenschaften auftritt, indem sie Mietverträge abschliesst, aus denen verschiedene Rechte und Pflichten erwachsen. Gemäss Art. 256 Abs. 1 OR ist der Vermieter verpflichtet, das Mietobjekt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu unterhalten. Mit anderen Worten: Es dürfen keine Mängel vorliegen.[12] Werden Liegenschaften vermietet, so müssen diese auch unterhalten werden.[13] Bei einem Immobilien-Crowdfunding wird meistens in neuwertige Liegenschaften investiert, weshalb zu Beginn der Unterhalt noch keine grossen Kosten verursachen dürfte. Doch jede Liegenschaft kommt in die Jahre und mit der Zeit können kostspielige Unterhaltsarbeiten nötig werden, welche dann von den Miteigentümern zu finanzieren wären. Kommt die Vermieterschaft dem nicht nach, so stehen dem Mieter die Rechte gemäss Art. 259a Abs. 1 OR zu. Er kann z. B. verlangen, dass die Mängel beseitigt werden oder dass der Mietzins verhältnismässig herabgesetzt wird.[14]

Im Unterschied zu einer Investition in Aktien, bei welcher nach der Zeichnung der Aktien von Gesetzes wegen keine weiteren finanziellen Verpflichtungen entstehen können (vgl. Art. 680 OR), fallen bei einer Investition in Immobilien früher oder später weitere Kosten an, da der Unterhalt der Liegenschaft nicht vernachlässigt werden darf. Um nicht plötzlich von anfallenden Kosten überrascht zu werden, empfiehlt sich für die Miteigentümergemeinschaft die Bildung eines Erneuerungsfonds, so wie ihn die Stockwerkeigentümergemeinschaft kennt.[15] Es ist darauf zu achten, dass dieser auch ausreichend dotiert ist, damit es nicht zu einem «Sanierungsstau» kommt.[16]

Fazit

Während bei einer Investition in Aktien im schlimmsten Fall die gesamte Einlage verloren geht, bestehen bei einer Investition in einen Miteigentumsanteil mittels Crowdfunding erhebliche Risiken, z. B. die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers aus Nachbarrecht oder die Werkeigentümerhaftung. Es ist deshalb zu prüfen, ob für solche Risiken Versicherungsschutz erlangt werden kann, etwa durch eine Gebäudehaftpflichtversicherung. Auch zu beachten ist, dass der Vermieter für den Unterhalt der vermieteten Wohnungen verantwortlich ist. Hierfür sollte in jedem Fall ein Erneuerungsfonds gebildet werden, damit die Kosten über mehrere Jahre aufgeteilt werden können. Falls für ein Immobilien-Crowdfunding mit der Aussage geworben würde, dass ausser der Einlage keine zusätzlichen Kosten anfallen, wäre dies aufgrund der gemachten Ausführungen mit Vorsicht zu geniessen.

Fussnoten

  1. Die Miteigentümergemeinschaft verfügt über keine eigene Rechtspersönlichkeit und die einzelnen Personen werden zu Grundeigentümern; vgl. auch BSK-Brunner/Wichtermann, N. 5 zu Vor Art. 646–654a OR.

  2. Schmid/Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017, N. 947 ff.

  3. BGE 121 III 448, E. 2c).

  4. BGE 117 II 50 = Pra 1992, 506.

  5. Guhl, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 25 N. 34.

  6. Guhl, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 6 N. 6.

  7. Schmid/Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017, N. 764.

  8. Vgl. Schmid/Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017, N. 776.

  9. Der Kläger in einem Zivilprozess muss einen Kostenvorschuss an das Gericht leisten und im Fall des Unterliegens sowohl die Gerichtskosten als auch – neben den eigenen Anwaltskosten – der Gegenpartei eine Parteientschädigung bezahlen; vgl. Art. 98 sowie Art. 106 ZPO.

  10. Zum Begriff des Kaufsrechts vgl. Guhl, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl.,
    Zürich 2000, § 41 N. 19.

  11. Ein allfälliger Leerstand oder ein Zahlungsverzug des Mieters wirkt sich also negativ auf die Rendite aus.

  12. Claude Roy, in: Mietrecht für die Praxis, 9. Aufl., Zürich 2016, S. 200.

  13. SVIT-Kommentar Mietrecht, 3. Aufl., Zürich 2008, Art. 256 OR N. 13.

  14. SVIT-Kommentar Mietrecht, 3. Aufl., Zürich 2008, Art. 256 OR N. 24.

  15. Vgl. Art. 712m Abs. 1 Ziff. 5 ZGB.

  16. Schmid/Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017, N. 1055 ff.

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