Das Einsichtsrecht ins Betreibungsregister bei ung...
Seitenbeginn

Privatrecht

Das Einsichtsrecht ins Betreibungsregister bei ungerechtfertigten Betreibungen - ein Update

In einem Artikel vom Juni 2017 wurde die Thematik des Einsichtsrechts in das Betreibungsregister bei ungerechtfertigten Betreibungen eingehend thematisiert. Nachfolgend wird nun aufgezeigt, inwiefern sich die Rechtslage seither nun entwickelt hat. 

Die Einleitung einer Betreibung kann auch ohne autoritative Ermächtigung erfolgen und das Betreibungsamt darf nicht überprüfen, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern muss in jedem Fall einen Zahlungsbefehl ausstellen. Dies kann auch ungerechtfertigte Betreibungen zur Folge haben.

Die betriebene Partei kann zwar gegen eine ungerechtfertigte Betreibung Rechtsvorschlag erheben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Betreibung, nunmehr mit der Anmerkung, dass Rechtsvorschlag erhoben worden sei, im Betreibungsregister ersichtlich bleibt. Jede Person, welche ein Interesse glaubhaft macht, kann in das Betreibungsregister Einsicht nehmen und sich Auszüge geben lassen (Art. 8a SchKG). Der Eintrag im Betreibungsregister kann deshalb schwerwiegende Auswirkungen für die betriebene Partei haben, etwa wenn sie sich auf Stellen- oder Wohnungssuche befindet, oder um Vergabe eines Kredits ersucht. Insofern dient das Betreibungsregister als wichtige - wenn nicht sogar die wichtigste - Informationsquelle über die Kreditwürdigkeit einer Person, indem es über Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit informiert.[1]

Bislang war der Gang zu einem Gericht notwendig, um feststellen zu lassen, dass eine in Betreibung gesetzte Schuld nicht besteht, bzw. um die Aufhebung einer (ungerechtfertigten) Betreibung zu verlangen (Art. 85 bzw. Art. 85a, vgl. auch Art. 88 SchKG). Dieser Weg ist jedoch kostspielig und risikobehaftet, weshalb sich ungerechtfertigt Betriebene in den wenigsten Fällen wirksam vor Gericht zur Wehr setzen konnten.[2]

Neue Regelung (Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG)

Um dieser Problematik gerecht zu werden, hat das Parlament eine neue Bestimmung ins SchKG aufgenommen, die es betroffenen Personen erleichtert, gegen eine ungerechtfertigte Betreibung vorzugehen. Gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG in der Fassung vom 16. Dezember 2016 gibt das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, und der Gläubiger innerhalb einer Frist von 20 Tagen nicht den Nachweis erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet wurde. Wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.[3]

Nach einer unverständlichen Verzögerung trat die genannte Änderung des SchKG nun per 1. Januar 2019 endlich in Kraft.[4] Nachfolgend sollen nun die wichtigsten Punkte der neuen Regelung kurz erläutert werden:[5]

  • Der Schuldner muss ab der Zustellung des Zahlungsbefehls zunächst eine Frist von drei Monaten abwarten, sofern er Rechtsvorschlag erhoben hat. In dieser Zeit bleibt die Betreibung auf jeden Fall sichtbar. Hat der Schuldner es unterlassen, Rechtsvorschlag zu erheben, so gibt er damit zum Ausdruck, dass er die Forderung nicht bestreite. In einem solchen Kontext den Betreibungsregistereintrag nicht sichtbar machen zu wollen, würde einem widersprüchlichen Verhalten gleichkommen, weshalb eine Berufung auf Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG von vornherein entfällt. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Forderung nach der Einleitung der Betreibung bezahlt (selbst wenn er Rechtvorschlag erhoben hatte). Anders verhält es sich nur dann, wenn die Bezahlung vor der Einleitung der Betreibung erfolgt ist.[6]
  • Sofern der Gläubiger innerhalb dieser Frist von drei Monaten kein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags (provisorische oder definitive Rechtsöffnung oder Anerkennungsklage) eingeleitet hat, so kann der Schuldner ein Gesuch stellen, dass die Betreibung in Anwendung von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht werde. Die Gebühr für dieses Gesuch beträgt pauschal CHF 40.00; sie ist in jedem Fall und unabhängig vom Ausgang des Verfahrens durch den Gesuchsteller zu bezahlen (Art. 12b GebV SchKG).
  • Das Gesuch ist an das Betreibungsamt zu richten, bei welchem die beanstandete Betreibung eingereicht worden ist. Für das Gesuch kann fakultativ ein Formular verwendet werden, welches von den Betreibungsämtern zur Verfügung gestellt wird.
  • Hat das Betreibungsamt zum Zeitpunkt des Eingangs des Gesuchs Kenntnis davon, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingereicht worden ist, so weist es das Gesuch in der Form einer schriftlichen Verfügung unter Hinweis auf den Beschwerdeweg gemäss Art. 17 SchKG kostenpflichtig ab. Hat das Betreibungsamt hingegen keine Kenntnis eines solchen Verfahrens, so fordert es den Gläubiger zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von 20 Tagen auf.
  • Kann der Gläubiger innerhalb dieser Frist den Nachweis, dass ein entsprechendes Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingereicht worden ist, nicht erbringen, so heisst das Betreibungsamt das Gesuch gut und macht die Betreibung für Dritte nicht mehr sichtbar. Dies gilt im Übrigen auch für die sog. Selbstauskunft; auch auf dieser wird die Betreibung nicht mehr ersichtlich sein.[7]
  • Reicht der Gläubiger den Nachweis der Einleitung eines Verfahrens zur Beseitigung des Rechtsvorschlags nach (bspw. durch Eingangsbestätigung des Gesuchs um Rechtsöffnung oder der Anerkennungsklage), so wird die Betreibung Dritten wiederum zur Kenntnis gebracht. 
  • Die neue Regelung enthält keine Übergangsfrist. Das heisst, sie ist auch auf Betreibungen anwendbar, die vor dem 1. Januar 2019 eingeleitet worden sind. Die dreimonatige Frist kann beim Inkrafttreten der neuen Bestimmung somit bereits abgelaufen sein, womit der Schuldner sofort ein Gesuch stellen kann.[8] Betrifft das Gesuch eine Betreibung, welche vor mehr als fünf Jahren eingereicht wurde, so ist auf ein Gesuch mangels Rechtsschutzinteresse nicht einzutreten, da solche Betreibungen im Betreibungsregisterauszug ohnehin nicht mehr erscheinen (Art. 8a Abs. 4 SchKG).

Einzelfragen

Fraglich ist, wie lange ein Betriebener berechtigt sein soll, ein Gesuch um Nichtbekanntgabe einer Betreibung zu stellen. Hintergrund dieser Frage ist der Umstand, dass das Einsichtsrecht während fünf Jahren besteht, eine Betreibung gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG jedoch nur während eines Jahres nach der Zustellung des Zahlungsbefehls fortgesetzt werden kann, bzw. kann nur innerhalb dieses Jahres ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags angestrengt werden.

In diesem Zusammenhang wird die Meinung vertreten, dass es einem Betriebenen nach dem Ablauf der Jahresfrist von Art. 88 Abs. 2 SchKG nicht mehr möglich sein soll, ein Gesuch um Nichtbekanntgabe zu stellen.[9] Falls es der Gläubiger jedoch unterlassen hat, rechtzeitig ein Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlags einzureichen, so gibt er damit auch zu erkennen, dass die Betreibung eben ungerechtfertigt war. Aus diesem Grund erscheint es angebracht, ein Gesuch um Nichtbekanntgabe während der gesamten fünfjährigen Frist von Art. 8a Abs. 4 SchKG zuzulassen.[10]

Weiter stellt sich die Frage, ob eine Betreibung im Register ersichtlich bleiben soll, falls der Gläubiger in einem Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags unterliegt, bspw. also ein Rechtsöffnungsgesuch abgewiesen wird. Gemäss dem Wortlaut des Gesetzes reicht es aus, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet  wird, damit die Betreibung bekannt gegeben wird. Nicht verlangt wird indes, dass der Gläubiger in diesem Verfahren obsiegen muss. In einem solchen Fall kann sich ein Schuldner also nicht auf Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG berufen.[11]

Würdigung

Das mit der Revision des SchKG angestrebte Ziel, betriebenen Personen ein Mittel zur Verfügung zu stellen, mit dem sie sich rasch und wirksam gegen ungerechtfertigte Betreibungen zur Wehr setzen können, wurde erreicht. Da nur in ungefähr zehn Prozent von allen Betreibungen Rechtsvorschlag erhoben wird, ist zudem nicht von einer signifikanten Verwässerung der Aussagekraft der Betreibungsregisterauszuge auszugehen.[12]

Fussnoten

  1. Rodrigo Rodriguez/Patrik Gubler, Die Abwehr von Betreibungsregistereinträgen ab dem 1. Januar 2019, in: ZBJV 2019, 12.

  2. Zum Ganzen: Jürgen Brönnimann, Verstärkter Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen und ihren Auswirkungen, in: FS Jolanta Kren Kostkiewicz, Bern 2018, 406 f.

  3. BBl 2016, 8897.

  4. Vgl. Curia Vista 18.3287 (Interpellation vom 15. März 2018).

  5. Eingehend dazu: Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 5 vom 18. Oktober 2018.

  6. Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 27.

  7. Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 27.

  8. Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 23.

  9. Brönnimann (zit. in Fn. 2), 415.

  10. So auch: Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 25.

  11. Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 25.

  12. Rodriguez/Gubler (zit. in Fn. 1), 31.

Artikel teilen

Share