Öffentliches Recht
Was kann ich tun, wenn meine Nachbarn ohne Baubewilligung bauen oder allenfalls bereits gebaut haben? Und was kann ich tun, wenn meine Nachbarn beim Bauen die massgebenden Bauvorschriften nicht einhalten? Sie können eine baupolizeiliche Anzeige einreichen. Hier lesen Sie, wie das geht.
Sie stellen fest, dass Ihre Nachbarn ohne Baubewilligung bauen oder allenfalls bereits gebaut haben. Oder dass Ihre Nachbarn sich nicht an die in der Baubewilligung verfügten Auflagen und Bedingungen halten. Dann können Sie bei der Baupolizei eine Anzeige nach Art. 46 BauG einreichen. Die Baupolizei ist Sache der zuständigen Gemeindebehörde.
Reichen Sie möglichst umgehend bei der zuständigen Baupolizei eine schriftliche Eingabe per eingeschriebene Post ein. Schildern Sie darin die Situation vor Ort und Ihre Beobachtungen. Beantragen Sie, es sei ein baupolizeiliches Verfahren zu eröffnen und es seien umgehend die entsprechenden Massnahmen zu treffen. Als direkt betroffener Nachbar sei Ihnen zudem Gelegenheit zu geben, um sich allenfalls am Verfahren zu beteiligen. Beteiligen Sie sich nachfolgend am Verfahren, haben Sie ein Recht auf Akteneinsicht und können im Verfahren entsprechende Anträge stellen (mit den entsprechenden Kostenrisiken).
Die Organe der Baupolizei sind insbesondere zuständig für:
Die Gemeinde ist auch dann Baupolizeibehörde, wenn Bauten und Anlagen auf gemeindeeigenem Land betroffen sind.[1]
Nach Eröffnung eines baupolizeilichen Verfahrens hat die Baupolizei bei laufenden Bauarbeiten die sofortige Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen, wenn:
Die Baupolizei ist demnach verpflichtet, die illegale Bautätigkeit umgehend zu stoppen. Sie geniesst keinen Beurteilungsspielraum und hat keine Interessenabwägung vorzunehmen. Eine Baueinstellungsverfügung ist eine vorsorgliche Massnahme. Der sogenannte Baustopp kann mündlich vor Ort und mit einer schriftlichen Verfügung angeordnet werden. Möglich ist auch der Erlass eines vorübergehenden Benützungsverbotes. Der Baustopp ist sofort vollstreckbar, d.h., eine Beschwerde gegen den Baustopp hat keine aufschiebende Wirkung.
Nach dem Baustopp setzt die Baupolizei der Bauherrschaft eine Frist an, innert der ein nachträgliches Baugesuch eingereicht werden kann oder der rechtmässige Zustand wiederhergestellt werden muss. Reicht die Bauherrschaft ein nachträgliches Baugesuch ein, wird ein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt. Bis zum Abschluss dieses Baubewilligungsverfahrens bzw. bis zum rechtskräftigen Entscheid wird die Wiederherstellungsverfügung aufgeschoben. Wird das Projekt nachträglich bewilligt, wird der Baustopp aufgehoben. Wird das Projekt nachträglich nicht bewilligt, erfolgt ein Bauabschlag mit Wiederherstellungsfrist.
Wenn die zuständige Baupolizeibehörde nach Einreichen ihrer baupolizeilichen Anzeige kein Verfahren einleitet und keine entsprechenden vorsorglichen Massnahmen trifft, prüfen Sie eine Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde.[2]
Die Baupolizeibehörde hat die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes zu verfügen. Sie muss entscheiden, ob und inwieweit der rechtmässige Zustand wiederhergestellt werden muss. Die Wiederherstellungsverfügung muss im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sein und darf den Vertrauensgrundsatz nicht verletzen. Ein öffentliches Interesse ist im Allgemeinen gegeben, da das Interesse an der Einhaltung der baurechtlichen Bestimmungen generell gross ist. Demgegenüber haben wirtschaftliche Interessen der Bauherrschaft kaum je ausschlagendes Gewicht, selbst dann nicht, wenn die nutzlosen Investitionskosten und die Abbruchkosten zusammen sehr hoch sind. Die Bauherrschaft muss sich stets auch das Wissen ihres Architekten und dasjenige ihrer Rechtsvorgänger anrechnen lassen. Die Käuferschaft einer Liegenschaft kann aus dem rechtswidrigen Verhalten der Verkäuferschaft nichts für sich ableiten und sich auch nicht auf einen gutgläubigen Erwerb berufen.
Die Baupolizeibehörde muss in der Wiederherstellungsverfügung die genauen Massnahmen bezeichnen, welche die Pflichtigen zu treffen haben. Zur Unbewohnbarmachung von Räumen fällt beispielsweise das Entfernen von Kücheneinrichtungen oder Badezimmerinstallationen in Betracht. Weiter ist eine Frist anzugeben, innert welcher die Massnahme auszuführen ist. Zusätzlich erfolgt eine Androhung der Ersatzvornahme für den Fall der nicht rechtzeitigen, nicht vollständigen oder nicht richtigen Wiederherstellung.
Grundsätzlich kann die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes bis fünf Jahre, seitdem die Rechtswidrigkeit des Baus erkennbar war, verlangt werden. Bei rechtswidrigen Bauten, die von aussen erkennbar sind, beginnt die Frist in der Regel sofort zu laufen. Nach Ablauf von fünf Jahren, seitdem der rechtswidrige Zustand erkennbar war, kann die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes nur noch verlangt werden, wenn dies zwingende öffentliche Interessen erfordern, z.B. wenn die Sicherheit, das Leben oder die Gesundheit gefährdet oder die Umwelt erheblich beeinträchtigt wird.[3]
Wer als Verantwortlicher, insbesondere als Bauherr, Architekt, Ingenieur, Bauleiter oder Bauunternehmer, ein Bauvorhaben ohne Baubewilligung oder in Missachtung von Bedingungen, Auflagen oder Vorschriften ausführt oder ausführen lässt oder wer vollstreckbaren baupolizeilichen Anordnungen, die ihm gegenüber ergangen sind, nicht nachkommt, wird mit einer Busse von CHF 1000.– bis CHF 40 000.– bestraft. In schweren Fällen, insbesondere bei Ausführungen von Bauvorhaben trotz rechtskräftigem Bauabschlag, bei Verletzung von Vorschriften aus Gewinnstreben und im Wiederholungsfall kann die Busse bis auf CHF 100 000.– erhöht werden (Art. 50 BauG).[4]
Als betroffener Nachbar können Sie bei der zuständigen Gemeindebehörde eine baupolizeiliche Anzeige einreichen, wenn Sie feststellen, dass Ihr Nachbar ohne Baubewilligung baut oder gebaut hat, oder wenn Sie feststellen, dass dieser die relevanten Bauvorschriften nicht einhält. Die Baupolizeibehörde hat in der Folge von Amtes wegen ein Verfahren einzuleiten und die entsprechenden Massnahmen zu ergreifen.
Als Bauherrschaft tragen Sie, wenn Sie Bauten ohne Baubewilligung oder in Abweichung einer Baubewilligung errichten, ein grosses Risiko, dass Sie diese wieder zurückbauen müssen. Weiter tragen Sie ein Sanktionsrisiko.
Fussnoten
Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 5. Auflage, Bern 2020, Band I, Art. 45 Rz. 1 ff.
Zaugg/Ludwig, a.a.O., Art. 46 Rz. 3 ff.
Zaugg/Ludwig, a.a.O., Art. 46 Rz. 8 ff.
Zaugg/Ludwig, a.a.O., Art. 50 Rz. 2 ff.