Vertragsgestaltung auf «Neudeutsch» – oder die Tü...
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Privatrecht

Vertragsgestaltung auf «Neudeutsch» – oder die Tücken des Facility Management

Bei der Redaktion von Vertragstexten ist es ratsam, nicht einfach Ausdrücke zu verwenden, von welchen «man» schon weiss, was sie bedeuten. Wird eine Verwaltung mit dem «Facility Management» beauftragt, so hat dies seine Tücken.

Altbekanntes hat sich nach gefestigter Übung dem Wandel der Zeit zumindest in der Weise zu unterziehen, dass für seit jeher ausgeübte Tätigkeiten neue Begriffe verwendet werden, vorzugsweise solche in «Neudeutsch». Während der Wechsel vom biederen Einkaufen zum mondänen Shopping – oder «Neuberndeutsch»: Schoppä (nicht zu verwechseln mit dem zeitlosen Frühschoppä) – schon beinahe museale Züge trägt, erfährt die gute alte Liegenschaftsverwaltung heute einen Modernisierungsschub durch Subsumtion unter den schillernden Begriff des Facility Managements.

Doch, halt! Shopping ist nicht nur Einkaufen: Dank Shopping ist Einkaufen zum Erlebnis avanciert; und Facility Management ist längst nicht nur Verwalten von Immobilien. Darunter versteht die Lehre in Bezug auf Liegenschaften ein ganzheitliches Immobilienmanagement, also die Begleitung einer Immobilie von der Wiege bis zur Bahre – oder vom Reissbrett bis zur Abbruchbirne, inklusive Sanierung bei Altlastenbefall. Die Schöpfung neuer Begriffe erweitert gleichzeitig das Bewusstsein durch ausdehnende Sinngebung. Endlich haben die Konsumenten das Stadium genussvoller Transformation des Einkaufszettels in prallvolle Einkaufswagen erreicht, und die Immobiliendienstleister haben den Weg zu himmlischer Erleuchtung gefunden, wonach ihnen quasi schöpferische Fähigkeiten zuerkannt werden. Bloss, ist mit der Umschreibung «Erstellen einer Shopping-Mall» oder mit der Beauftragung einer Firma, «Facility Management Dienstleistungen» zu erbringen, alles klar? Wohl kaum.

Durch ihre kommunikativen Fähigkeiten sind Menschen und Tiere in der Lage, Gemeinsamkeiten zu stiften, Gruppen, Organisationen, Gesellschaften zu bilden.[1] Gegenüber allen Tieren nimmt der Mensch namentlich durch seine Fähigkeit, sachorientiert zu denken und zu sprechen, eine Sonderstellung ein.[2] Neben ihrer positiven Funktion kann Kommunikation, insbesondere mangelhafte Kommunikation, jedoch in beachtlichem Masse Unheil stiften. Mögliche Fallstricke mangelhafter Kommunikation zu antizipieren und gestützt darauf den Nährboden für drohendes Unheil auszutrocknen, ist zugleich oberste Herausforderung und edle Kunst bei der Redaktion von Verträgen.

Als Vertrag wird gemeinhin der Austausch von übereinstimmenden und auf Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichteten Willenserklärungen mehrerer Parteien verstanden.[3] Selbstverständlich setzt diese Definition voraus, was nicht selbstverständlich ist, nämlich, dass die Erklärenden ihren subjektiven rechtsgeschäftlichen Willen fehlerfrei äussern. Gelingt es dem Vertragsredaktor nicht, allfällige Dissonanzen mit feinem Gespür zu orten und die gegensätzlichen Standpunkte einem Konsens zuzuführen, werden die Parteien mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt erneut juristische Dienstleistungen beanspruchen müssen, diesmal aber mit anderer Zielsetzung. Schumacher äussert sich über die Schwierigkeiten, andere zu verstehen, zutreffend wie folgt: Kommunikation ist in dem Masse möglich, in dem – zufällig oder aufgrund verschiedener Mechanismen – in zwei oder mehr Gehirnen bestimmten Kommunikationssignalen bestimmte interne Bedeutungszustände zugeordnet werden.[4] In einem solchen Umfeld kommt einer präzisen Formulierung zwecks Ausschluss lediglich zufallsbedingter Verständigung naturgemäss eine hohe Bedeutung zu. Ist die eindeutige und präzise sprachliche Erfassung einer Willensäusserung schon auf Deutsch nicht immer einfach, potenzieren sich die Schwierigkeiten gleichsam unter Verwendung «neudeutscher» Ausdrücke.

In vertraglichem Kontext empfiehlt es sich daher, die relevanten Tätigkeiten näher zu umschreiben. Zweckmässigerweise wird dabei eine Terminologie gewählt, welche sich an bekannte Normen und Definitionen anlehnt. Im Bereich des Facility Management finden sich solche beispielsweise in den Richtlinien der GEFMA[5] oder in den Publikationen der IFMA[6]. Weiter enthalten einzelne DIN-Normen nützliche Begriffe zum Gebäudemanagement. Schliesslich lassen sich etwa auch dem Leistungsmodell 111 der SIA Erkenntnisse über Planungs- und Beratungsprozesse entnehmen.

Facility Management gliedert sich nach vorherrschender Auffassung in Bezug auf das Immobilienmanagement in das kaufmännische, das infrastrukturelle und das technische Gebäudemanagement. Zum kaufmännischen Gebäudemanagement gehören Führungsaufgaben wie Verwaltung, Controlling (auch so ein «neudeutscher» Ausdruck) und Marketing, während das infrastrukturelle Gebäudemanagement allgemeine Dienste wie Hauswartung, Serviceleistung und Sicherheit einschliesst. Das technische Gebäudemanagement schliesslich befasst sich mit Betrieb und Werterhaltung der gebäudetechnischen Einrichtungen und Anlagen. Nicht jeder Eigentümer ist an der gesamten Facility Management Palette interessiert. Eine dem Einzelfall gerechte Auswahl und verständliche Umschreibung der zu erbringenden und in der Regel auch zu entschädigenden Dienstleistungen tut daher Not.

Zweckmässigerweise lehnt sich die Vertragsredaktion hierbei an die vorstehend zitierten Grundlagen an. Auf diese Weise kann bei Verständigungsdifferenzen auf Vorgaben Bezug genommen werden, welche eine Begriffsbestimmung ermöglichen, und damit kraft ihrer Transparenz zu lösungsorientierter Verhandlungsführung verhelfen.

Sprachliche Prägnanz trägt wesentlich bei zur Redaktion erfolgversprechender Verträge. Das lukrativste Geschäftsmodell scheitert, wenn die vertragliche Umsetzung nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolgt. Der erfolgreiche Vertragsredaktor wird aus diesen Überlegungen Verträge weder in Althochdeutsch noch in «Neudeutsch» ausformulieren, gefragt ist vielmehr eine verständliche Sprache und eine klare Systematik. Dabei sind der literarischen Freiheit des Vertragsredaktors enge Grenzen gesetzt, gilt es doch, nicht neue Begriffe zu kreieren, sondern durch Anlehnung an Altbekanntes Willenserklärungen fehlerfrei zu erfassen, und im Wissen um die daherigen Schwierigkeiten wenigstens für den Streitfall möglichst taugliche Interpretationshilfen zur Verfügung zu stellen. Insofern ist dem Wandel der Zeit und der Sprache mit gesunder Skepsis zu begegnen.

Fussnoten

  1. Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 12, S. 211

  2. Brockhaus a.a.O., Band 14, S. 460

  3. Art. 1 OR; Eugen Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, S. 40

  4. Rainer Schumacher, Vertragsgestaltung, Systemtechnik für die Praxis, S. 466

  5. German Facility Management Association, Deutscher Verband für Facility Management e.V.

  6. International Facility Management Association

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