Unfall - Zu was bin ich verpflichtet?
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Strafrecht

Unfall - Zu was bin ich verpflichtet?

P. Arkinglot kommt zurück vom Einkaufen, die Kinder auf der Rückbank quengeln, das Mobiltelefon klingelt und es muss nur noch schnell eingeparkt werden. Ratsch - die Unvorsichtigkeit siegt: Beim Einparken entstand ein kleiner Kratzer am hinteren Auto. P. Arkinglot klaubt einen Fresszettel hervor, schreibt die Mobiltelefonnummer und "Sorry, ich habe Ihren Wagen touchiert. Bitte melden Sie sich bei mir" darauf und klemmt den Zettel unter die Scheibenwischer. Ein paar Monate später erhält P. Arkinglot einen Strafbefehl. Was lief hier falsch?

Grundsätzliches Verhalten bei einem Unfall

Ereignet sich ein Unfall, an welchem ein Motorfahrzeug oder ein Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen (vgl. Art. 51 Abs. 1 SVG). Dazu gehört beispielsweise das vorschriftsgemässe Aufstellen des Pannensignals. Die Lage an der Unfallstelle darf bis zum Eintreffen der Polizei grundsätzlich nicht verändert werden. Eine Veränderung ist nur zum Schutz von Verletzten oder zur Sicherung des Verkehrs zulässig, wobei zuerst die ursprüngliche Lage der Fahrzeuge auf der Strasse angezeichnet werden muss.

Verhalten bei verletzten Personen

Sind Personen äusserlich verletzt oder ist mit inneren Verletzungen zu rechnen, so müssen alle am Unfall Beteiligten für Hilfe zu sorgen. Auf die Schwere der Verletzung kommt es dabei nicht an, eine kleine Schürfung oder Prellung reicht bereits aus. Als Beteiligte gelten alle Personen, deren Verhalten für das Zustandekommen und für die Abklärung des Unfalles von Bedeutung sein kann. Ein solches Verhalten kann in Form einer direkten oder indirekten Mitwirkung erfolgt sein.

Unbeteiligte sind nur soweit es ihnen zumutbar ist, verpflichtet Hilfe zu leisten. Die Hilfe kann u.a. das Rufen von Arzt und Polizei, das Transportieren von Verletzten oder die Sicherung des Verkehrs beinhalten.

Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, müssen die Polizei benachrichtigen. Die Meldung an die Polizei ist nicht erforderlich bei kleinen Schürfungen oder Prellungen; der Schädiger muss aber dem Verletzten mindestens Namen und Adresse angeben.

Alle beteiligten Personen, dazu gehören auch Mitfahrende, sind verpflichtet bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.

Wichtig ist - und oft vergessen geht -, dass der Unfallverursacher im Strafverfahren als beschuldigte Person gilt. Die beschuldigte Person muss sich nicht selbst belasten und hat das Recht, die Aussage und ihre Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Unfallbeteiligte, welche strafbar sein könnten, dürfen der Polizei gegenüber jegliche Auskünfte verweigern. Zudem hat die beschuldigte Person das Recht auf einen Anwalt. Wenn sie keinen Anwalt kennt, verfügt die Polizei über eine Liste von Pikettanwälten, welche 24/7 zur Verfügung stehen.

Verhalten bei blossem Sachschaden

Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Unfallverursacher sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen (vgl. Art. 51 Abs. 3 SVG). Die Hinterlegung einer Visitenkarte oder das Klemmen eines Zettels mit Namen, Adresse und Telefonnummer unter die Scheibenwischer genügt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht.

Auch wer nicht sicher ist, ob tatsächlich ein Sachschaden entstanden ist, muss anhalten und den Geschädigten resp. die Polizei verständigen. Die Melde- resp. Benachrichtigungspflicht entfällt nur dann, wenn zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass kein Sachschaden eingetreten ist. Dasselbe gilt im Fall eines (allfälligen) Personenschadens.

Mögliche Konsequenzen bei einer Weiterfahrt

Was sind nun mögliche Konsequenzen, wenn jemand die Pflichten, welche einem das Strassenverkehrsgesetz auferlegt, nicht wahrnimmt?

Wer bei einem Unfall die Verhaltenspflichten verletzt (z.B. Nichtorientierung der Polizei, Entfernen vom Unfallplatz etc.), die ihm das SVG auferlegt, wird grundsätzlich mit einer Busse bestraft (vgl. Art. 92 Abs. 1 SVG).

Hat jedoch ein Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt und ergreift er die Flucht, kann er sogar mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden (sog. Fahrerflucht, vgl. Art. 92 Abs. 2 SVG).

Weiter können Personen, welche sich von der Unfallstelle entfernen, wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden, wenn sie sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe oder einer Atemalkoholprobe entziehen, jedoch mit einer Anordnung hätten rechnen müssen (vgl. Art. 91a Abs. 1 SVG).

Schlussendlich kann jemand, der einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte oder jemand, der andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre bestraft werden (sog. Unterlassung der Nothilfe, vgl. Art. 128 StGB).

Hinzu kommen allfällige Administrativmassnahmen, wie Verwarnung oder Führerausweisentzug.

Fazit

Im Eingangs erwähnten Fall hätte P. Arkinglot entweder den Fahrzeughalter des beschädigten Autos sofort ausfindig machen (zum Beispiel durch eine Halterauskunft beim zuständigen Strassenverkehrsamt) und informieren, oder aber den Vorfall unverzüglich der Polizei melden müssen. Weil P. Arkinglot weder den Fahrzeughalter noch die Polizei sofort benachrichtigte, konnte eine Busse wegen Verletzung von Verhaltenspflichten ausgesprochen werden.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 02/2018 veröffentlicht.

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