Privatrecht
Seit Einführung des Video Assistent Referee, dem VAR, wird dieser heftig diskutiert. Was darf er, was nicht? Können falsche Entscheidungen des (Video-)Schiedsrichters durch ein Gericht nachträglich überprüft und bei Bedarf aufgehoben und ein Spieler bestraft werden?
Die ersten Fussballregeln wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts festgeschrieben, und auch heute noch wird weitgehend nach diesen Regel gespielt, auch wenn über die Jahre immer wieder Änderungen erfolgt sind. Die grösste Änderung, die aktuell intensiv diskutiert wird, ist die Einführung des Video Assistent Referee, dem VAR. Dieser kam unter anderem bei der letztjährigen WM, ab der K.o.-Phase der Champions League und der abgelaufenen Bundesligasaison zum Einsatz. In der Schweiz wird dies neu ab der kommenden Spielzeit der Fall sein.
Es stellt sich erstmals die Frage, in welchen Situationen der VAR eigentlich eingreifen kann. Können alle Schiedsrichterentscheide überprüft werden? Nein, dem ist nicht so: Der VAR kann nur in den folgenden vier Situationen eingreifen, nämlich:
Voraussetzung für ein Eingreifen des VAR ist immer, dass eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Liegt keine solche, klar falsche Wahrnehmung des Schiedsrichters vor, darf der Video-Assistent eigentlich nicht eingreifen. Über die Frage, wann eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung vorliegt, dürfte in der Zukunft noch oft gestritten werden, beispielsweise bei Abseits-Entscheidungen, bei denen es auf Zentimeter ankommen kann. Von den Gegnern des VAR wird kritisiert, dass dieser oftmals bei falschen Schiedsrichterentscheidungen nicht eingreife, selbst wenn ein offensichtliches Vergehen eines Spielers vorliegt. Umgekehrt wird häufig hinterfragt, weshalb der VAR eingreift, selbst wenn keine klare Fehlentscheidung des Schiedsrichters vorgelegen hat.
Der VAR steht mit dem Schiedsrichter über Funkt in Kontakt. Die Kommunikation kann sowohl vom VAR als auch vom Schiedsrichter auf dem Platz ausgehen. Der VAR kann den Schiedsrichter auf etwas aufmerksam machen, doch kann der Schiedsrichter auch selbst beim VAR nachfragen, wenn er sich in der Beurteilung einer bestimmten Spielsituation nicht sicher ist. Schliesslich hat der Schiedsrichter die Möglichkeit, strittige Spielszenen auf einem Video-Monitor am Spielfeldrand selbst nochmals anzuschauen, denn die Entscheidung liegt letztlich unverändert beim Schiedsrichter auf dem Platz. Der VAR ist also kein Ober-Schiedsrichter, er erweitert vielmehr das Team des Schiedsrichters.
Die Befürworter des VAR argumentieren damit, dass dieser zu mehr Gerechtigkeit im Fussball führe. Um dieses Ziel zu erreichen, so könnte man argumentieren, wäre es doch hilfreich, wenn falsche Entscheidungen des (Video-)Schiedsrichters durch ein Gericht nachträglich überprüft und bei Bedarf aufgehoben werden könnten. Dies ist aber nicht möglich und zwar aus folgendem Grund: Es wird unterschieden zwischen dem Recht (also den Rechtsregeln) und den Spielregeln. Diese Spielregeln bestimmen einzig den Spielverlauf und das Verhalten der Spieler auf dem Feld, haben darüber hinaus aber keine weitere Wirkung.[1] So besagt z.B. eine Spielregel, dass ein grobes Foulspiel mit einer roten Karte sanktioniert werden muss. Dazu wird der fehlbare Spieler nachtäglich gesperrt; hier handelt es sich um eine Rechtsregel, da sie Auswirkungen über das Spiel hinaus hat.
Die Spielregeln werden auch als "Nichtrecht" bezeichnet, weshalb während dem Wettkampf ausgesprochene Entscheide und Sanktionen endgültig sind, und nicht durch einen Richter nachträglich überprüft werden können (sogenannter Tatsachenentscheid). Der Schiedsrichter entscheidet innerhalb des Spielverlaufs immer endgültig, da das Spiel sinnlos würde, falls es durch den Gang zum Gericht unterbrochen werden könnte. Dies gilt auch, wenn dem Schiedsrichter Fehler unterlaufen (können), die einen direkten Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im Spiel haben. Hier sollte eigentlich der VAR eingreifen, nicht jedoch der Zivilrichter.
Eine Ausnahme davon besteht im Strafrecht, falls aus einem Spiel eine (schwere) Körperverletzung resultiert. Wird ein Fussballer durch ein Foulspiel derart schwer verletzt, so kann dies nachträglich durch den Strafrichter sanktioniert werden. Der fehlbare Spieler wird bestraft, z.B. mit einer Geldstrafe, die er an die Staatskasse bezahlen muss. Dies ändert aber nichts am Entscheid des Schiedsrichters, ob er das Foul als solches ahndet, oder ob er den fehlbaren Spieler verwarnt oder des Feldes verweist. So ist es kürzlich in einem Juniorenspiel in der Schweiz vorgekommen, dass ein grobes Foulspiel, welches beim gefoulten Spieler zu einem komplizierten Knöchelbruch führte, nur mit einer gelben Karte sanktioniert worden ist (obwohl eher eine rote Karte angebracht gewesen wäre). Der Strafrichter hat danach auf fahrlässige Körperverletzung entschieden und den Täter zu einer Geldstrafe verurteilt, was aber am Entscheid des Schiedsrichters nichts mehr änderte.[2]
Auch in der neuen Saison werden allerlei Entscheidungen, sei es auf oder neben dem Platz zu Diskussionen führen.
Fussnoten
Vgl. András Gurovits, Verbandsinterne Gerichtsbarkeit, in: Jan Kleiner / Margareta Baddeley / Oliver Arter (Hrsg.), Sportrecht - Band II, Bern 2018, 291 ff.